Dienstag, 20. Dezember 2011

Hitparade 2011 - Und sonst?


Manche nennen es Vergessene Perlen, bei anderen ist es die Geheime Beute, wieder andere sagen "Honorable Mention": der Bänkelsänger sagt schlicht: Und sonst?

Auch in diesem Jahr sind wieder mal einige Alben nicht ausreichend genug gewürdigt werden gescheige denn, sie hätten einen eigenen Blogbeittrag, eine Mixtape-Erwähnung oder sonstige Verlinkung/Visualisierung oder Einbettung erfahren. So gibt's hier noch mal 30 Schmuckstücke, die sich (noch) nicht in der Hitparade festsetzen konnten, aber dennoch mehr als einen Hördurchgang wert sind. Und wie man es aus dem letzten Jahr kennt: Der Tellerrand war wieder mal zu schmal, als das man nicht das ein oder andere Mal ganz schön weit darüber geschaut hat.

Als da in diesem Jahr wären: Wunderbarer Dunkelfolk von Matt The Electrician, der vor allem mit dem wunderbaren "I Will Do The Breathing" und dem Titeltrack "Accidental Thief" zu überzeugen weiß. Sowieso trieben die Songwriter im Folkumfeld in diesem Jahr gar zahlreich ihr Unwesen, auch Neil Cousin zündet mit seinem "Bonfire" ganze Wohlfühlfeuer an und schafft mit "The Headless Hawk" gar den Einzug in des Bänkelsängers Lieder-Hitparade. The Bailey Hounds sind ein wenig ungestümer und streiten mit Of Monsters And Men um die Vorherrschaft im Mumford & Sons-Umfeld. Zurückgenommer, dennoch nicht minder eingängig wagte sich Grey Reverend aus dem Unterholz, um die besten Nick Drake-Gedächtnismomente ins Bewußtsein zu rufen. Genauso traditionell geprägt und mit einem Bein auf den Spuren von Sandy Denny machte sich Meg Baird an die Wiederholung ihres furiosen Solodebuts und mit einem Hauch Experiment im Gepäck sicherte sich Hezekiah Jones mit "Have You Seen My New Fort?"  und dem darauf enthaltenen "Little Room (Cannonball)" einen Platz bei den geheimen Lieblingsalben. Einer der schönsten nostalgischen Folksongs kam aus Skandinavien, Old Lost John sang von "Regina's Bar" und kann auch auf dem zugehörigen Longplayer "Bringing Down The Sky" mehr als überzeugen. Für die europäischere, genauer britischere Klangfarbe, empfiehlt sich in den verqueren Mix aus psychedelischem Pop und energiegeladenem Folk von The Dead Trees reinzuhören, noch britischer wird es dann mit dem nostalgischen und leidlich barocken "Witchazel" des Comedians und Folkers Matt Berry. Bleiben wir noch ein wenig auf der Insel und gehen mit David Gibb in seinen Garten um den Vögeln zu lauschen, sein "There Are Birds In My Garden" klingt als wäre es mindestens 40 Jahre alt und ist doch niemals antiquiert oder gar langweilig. 

Betrachtet man die vorangegangenen Alben noch als ziemlich "klassische" Folk-Kostbarkeiten, dürfen natürlich auch Grenzgänger nicht fehlen. Mary Hampton zum Beispiel, die auf "Folly" herzerweichende Folkballaden zusammenträgt und sie mit Zierrat aus Vogelgezwitscher und anderen Überraschungen dekoriert. Oder aber The Waterboys, die auf "An Appointment With Mr. Yeats" ihre lyrische Seite entdecken und mit "Politics" wieder Mal einen richtigen Hit landen könnten. Heavy Songwriting war auch noch, denn den Budenzauber, den Budam dieses Jahr auf "Man" veranstaltet hat, kann man definitiv nicht auf die leichte Schulter nehmen. Mit The Milk Carton Kids wäre dann noch eine ziemlich verführerische melange aus elegischem Pop und hymnischem Folk in dieser Kategorie zu erwähnen, und gleichzeitig der Brückenschlag zu weiteren Fundstücken in der Popschublade zu vollführen.

Einmal offen, springen auch schon Butcher Boy heraus, Twee Pop, so schön wie einstmals bei Belle & Sebastian, jedoch dunkler und romantischer interpretiert. Ebenso einnehmend, jedoch mit erstaunlich orchestraler Wucht meldet sich auch Loney Dear alias Emil Svanängen zurück, auf "Hall Music" konnte der ein oder andere Tränenzieher entdeckt werden und schließlich Susanne Sundfor, die noch eine Spur orchestraler, aber auch vor allem experimentieller auf "The Brothel" die Grenzen zwischen Pop, Klassik und Geräusch neu auslotet. 
Ausgehend davon ist der Schritt zum zwischen Licht und Schatten oszillierenden "We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves" von John Maus nicht weit, tief in den 80ern verankert und von geradezu bombastischer Kühle umhüllt. Diese Kühle findet sich auch, wenn auch pulsiernder auf "The Entire City", dem Album von Gazelle Twin, die ganz klar auf den Fußspuren vojn Fever Ray oder deren Hauptband The Knife wandeln. Nicolas Jaar wiederum greift eher die 80er Thematik auf und vermischt seine Slow-Motion-Beats mit New Order-Gedächtnis-Lyrik und empfindsamen Klangstrukturen. Die hier ereichte Weite von Klang und Raum wiederum leitet dann zu den shoegazernden Warm Ghost über, die von Haus aus den modernen Popmelodien greifen, die ein wenig vor sich hin mäandern, aber dennoch unglaublich einnehmend sind.
Wie bringe ich denn nun noch Chris Watson unter? Der hat schließlich mit "El Tren Fantasma" ein Album nur mit Field Recordings veröffentlicht, auif dem der Hörer einen Geisterzug durch Mexicio begleitet und dem man sich nach anfänglicher Skepsis nur schwer entziehen kann. Oder Implodes, die ihre Drone- und Ambient-Attacken mit mählichem Shoegazer-Momenten und organischer Gitarrenepik anreichern. Oder gar Grumbling Fur, die irgendwo zoschen ganz ganz ganz freiem Folk, Dekonstruktion und Rock-In-Opposition die zelte aufgeschlagen haben. Oder gar Lanie Lane? Und der Sprung ist jetzt wirklich mutig, denn die hübsche Dame hat eines der schönsten Rockabilly-Swing-Country'n'Western-Folk-Pop-Alben der letzten Jahre aufgenommen. 

Bleibt zum Schluß noch der Sprung nach Deutschland. Auch hier gab es für den Bänkelsänger einmal mehr die ein oder andere wirklich hervorzuhebende Entdeckung. Allen voran Lauscher mit ihrer Kreuzung aus Volkslied und Neofolk mit Cajon und singender Säge und Susie Asado, die sich an kunstvoll verschachtelten und anspruchsvoller Lyrik hoffentlich in viele Herzen musiziert haben. Zum Schluß muss ich aber auch noch 17 Hippies erwähnen, die auf "Phantom Songs" wieder mal alle guten Zutaten für ein Album gefunden haben, auf dem "Dorn" das Zeug zum Evergreen hat und, und das mag jetzt vielleicht ein wenig überraschen, Max Raabe mal ohne Palastorchester. Denn sein "Küssen Kann Man Nicht Alleine" pfeife ich bei jeder Gelegenheit und sein "Schlaflied" ist der passende Abschluss um den Hitparaden für 2011 ein würdiges Ende zu bereiten.

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