Montag, 29. Oktober 2012

Binoculers



Inne(n)halten - inne(n)wohnen.

Ganz sanft und flauschig schleicht sich das Monster heran. Keine langen Fangzähne, keine wiederborstiger Pelz, keine grauenerregendes Gebrüll. Nadja Rüdebusch alias Binoculers nimmt mit einem sanften Fellknäuel vorlieb und jagt somit eher Wohlfühlschauer denn Gänsehaut die Nackenhaare hinauf. Wie mit leuchtenden Kinderaugen betrachtet sie die Welt durch ein faseriges Kaleidoskop, lässt aber gleichermaßen ausreichend eigenes Innenleben nach außen scheinen.

Auf ihrem zweiten Album "There Is Not Enough Space In The Dark", welches via Insular Music am 2.11.2012 erscheint, überwiegen anschmiegsame Folksongs, die mit Kleinigkeiten und Beiläufigkeiten ausgeschmückt werden, gleich so als wären sie der Musikerin im Vorbeigehen eingefallen. Dazu schildern die Texte Begebenheiten, die einerseits so alltäglich wie möglich scheinen, aber dennoch durch ihren persönlich scheinenden Bezug immer kostbar und einzigartig scheinen.

"Monsters", gleichsam eröffnender Akt und Schaubild für das ganze Album zeichnet Kinderbilder, die voller Phantasie und verwaschener Wasserfarben sind. Überall schweben schillernde Wolken, tönen sanfte Klangfarben durch das flackernde Halbdunkel, kein Wunder, das gibt der Albumtitel schließlich vor. Die beinahe zärtlich pendelnden Gitarrenmelodien finden sich immer wieder in Betten aus Geschlagenem, Geklopftem, Gestrichenem und Geblasenem, ein buntes Tohuwabohu, das trotzdem geordnet, neben- und übereinander besteht und teils mit weiteren Singstimmen angereichert wird.

Im schattierten "Grandmother's House" zieht sich ein Walzermotiv mit Pianobass durch die Erinnerungen der Sängerin, beinahe Spieldosenidylle, wie ein intimer Blick in die eigene Puppenstube, bei dem die Zeit auf der Schwelle des Fensterbretts stehengeblieben zu sein scheint. Immer wieder geht der Blick nach innen, mit einer stoischen, geradezu beseelten Ruhe, die im himmlichen "Song For A River" dezent mit Perkussion, Akkordeon und Glockenspiel aufgebrochen wird.

Schließlich "Trapped". Dann doch gefangen? Nicht aus sich herauskommen können. Im Inneren gefangen sein. In der eigenen Gedankenwelt verhangen, mit dem Blick nach aussen, doch den Kontakt nicht folgen lassen können. Rüdebusch lässt uns ein wenig im Dunkeln tappen, führt uns aber spätestens im versöhnlichen "Flock Of Birds" wieder hinaus, mit unaufgeregter Stimme und warmen Harmonien, jedoch ohne komplett das blasse Bild der inneren Erinnerung zu vergessen.

Binoculars verwöhnt mit intimen Folksongs im Stil der ersten Laura Gibson-Alben, die sich, wie soll es auch anders sein, ganz vortrefflich in die dunkelbunte Herbststimmung einfügen. Ohne Hast, mit viel Liebe zum Detail wird "There Is Not Enough Space In The Dark" zur Gedankenreise ins eigene (halb)dunkle Ich.

Das Lauschbild folgt sogleich:


Etwas ganz besonderes bietet sich hinsichtlich der verfügbaren Medien an, denn "There Is Not Enough Space In The Dark" gibt es neben den herkömmlichen Erscheinungsformen auch auf Kassette via Romani Ite Domum, einem feinen Kasettenlabel, dem man die Detailverliebtheit anhand des wunderschönen Covers durch und durch anmerkt:


Donnerstag, 25. Oktober 2012

My monthly Mixtape: Oktober



Auch wenn es bereits eher November denn Oktober ist, gibt's trotzdem noch ein "monthly Mixtape". Das hat es dafür auch ganz schön in sich, vereint es doch einige Lieblingslieder des bisherigen Jahres mit einem wiederentdeckten "All-Time-Favourite" und lässt klanglich kaum Wünsche übrig. Klaustrophobischer Garagen-Folk, wehmütiger Schlafzimmerpop und chansoneske Literaturvertonungen auf der einen, brilllantes Instrumentalspiel, stimmungsvolle Mitmachlieder und alptraumhafte Hommagen auf der anderen Seite. Klingt komisch? Dann Ohren auf und hingehört:

01. Simon Joyner - Vertigo
02. Jake Bugg - Lighting Bolt
03. Cult of Youth - Golden Age
04. Sean Rowe - Downwind
05. Murder By Death - Ramblin'
06. The Mountain Goats - Lakeside View Apartments Suite
07. Mumford & Sons - Hopeless Wanderer
08. Sea Wolf - Saint Catherine St
09. Adrian Crowley - Alice Among The Pines
10. Mark Eitzel - I Love You But You're Dead
11. JaKönigJa - Diese Schmerzen Musst Du Teilen
12. Peter Broderick - I've Tried
13. Misuk - Erinnerung an die Marie A
14. Echo Me - Darkest Hour
15. Paul Thomas Saunders - Let the Carousel Display You & I
16. Calexico - Splitter
17. Efterklang - Sedna
18. Patterson Hood - Come Back Little Star


Und selbstverständlich gibt's auch ein Lauschbild zum Glück:

 

...wann und ob die Ausgabe diesen Monats auch beim Radio des Vertrauens läuft, wird sich in Kürze zeigen, ansonsten empfehle ich wie immer aber auch dessen sonstiges sehr hörenswertes Programm.


Montag, 22. Oktober 2012

Echo Me

Da bin ich wieder. Entschuldigt die Abwesenheit. Jetzt geht's weiter.






Folk(s)vergnügen.

Mann mann mann mann, da hat sich Jesper Madsen alias Echo Me aber ganz schön vertan. Jetzt ist doch Oktober, was sollen wir denn da mit solch einem tollen, eingängigen Sommerhit wie "Left From The Fire" noch anfangen? Im Zweifel Tanzen, Mitsingen oder zumindest mit Begeisterung mitwippen. 

Letzteres kann man zu einigen der Songs auf dem selbstbetitelten Debut des jungen Kopenhageners und jetzigen Wahlberliners wunderbar, jedoch schlägt Madsen nicht nur fröhliche und unbeschwerte Töne an. Auf "Echo Me" passiert für ein Debutalbum eine ganze Menge. Da reihen sich niedliche Folk-Singalongs wie das bereits erwähnte "Left From The Fire" an das kraftvoll nölende "The Actor & The Play" was zum einen toll komponiert, zum anderen auch mit so viel spannenden Nebengeräuschen gespickt ist und mit viel Verve vorgetragen wird.
Madsen verbindet auf seinem Album Kunstfertigkeit mit mitreißenden Melodien, die so vertraut klingen, als wären sie dem eigenen Lieblingsmixtape entsprungen. Und genau dieses Gefühl vermittelt der Däne in dieser guten halben Stunde, in dem er kurzweilig und mit wandelbarer Stimme Alltäglichkeiten in Songs umwandelt. In Songs, die Begebenheiten erzählen, die ihm wichtig sind, in Stücken, die seine Geschichte erzählen und in Klängen, die seine prägnante Stimme unterstützen. 

Ob er nun wie in "You Never Will Be Mine" brüchig klingt wie ein stimmbrüchiger Teenager, der sein Liebesleid in die Welt weint und sich dabei von Mandolinen und verhaltenem Chorbackground unterstützen lässt oder amerikanisch anmutendes Gitarrenpicking unter die Stimme legt, Madsen versteht es mit kleinen Kniffen immer für Aufmerksamkeit zu sorgen.

Absolutes Highlight und jetzt schon einer der Songs des Jahres ist das fabelhafte "Darkest Hour". Wenn sich die Harmonika trunken in den Raum schleppt und das Schlagzeug trocken wie Reisigzweige angeschlichen kommt, thront Madsen mit seiner prägnanten Stimme über den Dingen und heult mit beängstigender Kopfstimme den Mond an. Manchmal kann "Echo Me" in seiner Vielfalt ein wenig überfordern genauso wie die Stimme Madsens nicht immer ganz unangestrengt eingesetzt wird, doch helfen die kleinen Kinkerlitzchen in den einzelnen Stücken, die mit viel Liebe für glitzernde Aufmerker sorgen, immer wieder für neue Aufmerksamkeit. 

Insgesamt macht "Echo Me", dass am 19.10.2012 via Für-Records erschienen ist, Spaß und vor allem neugierig auf mehr. Die vielen Facetten die teils nur einzeln angeschnitten werden (man höre nur das lustig vor sich hin trabende Countryliedchen "Packing My Stuff"), lassen hier noch sehr viel Spielraum, so dass Madsen gerne noch weitere Songs nachschieben darf. Bis dahin singen wir halt vergnügt mit und können uns auf einigen Konzerten auch noch von seinen Live-Qualitäten überzeugen:



24.10.2012 DE-Hildesheim, VEB Club
25.10.2012 DE-Goetingen, Heimathafen im Pool
26.10.2012 DE-Wuppertal, Bürgerbahnhof "Endstation Sehnsucht"
03.11.2012 DK-Odense, Kansas City
04.11.2012 NL-Groningen, Melodica Festival
09.11.2012 NL-Amsterdam, Skokie
11.11.2012 NL-Rotterdam, Le Vagabond
16.11.2012 DK-Aarhus, Vestergade 58
17.11.2012 DK-Kopenhagen, Huset i Magstræde
23.11.2012 DE-Dresden, Ostpol (PPZK Songwriterfestival)
24.11.2012 DE-Stutgart, Café Galao
06.12.2012 FR-Paris, Pop In
17.12.2012 DE-Hamburg, Stellwerk
18.12.2012 DE-Hannover, Glocksee
20.12.2012 DE-Berlin, Aufsturz
21.12.2012 DE-Weimar, Kasseturm
 
Und jetzt gibt's was auf die Augen: