Freitag, 31. Dezember 2010

Hitparade - Die Songs des Jahrzehnts

Am letzten Tag des Jahres gibt es noch mal Listenwahnsinn. Wieder einmal ist eine www.plattentests.de-Aktion Schuld daran. Anfang des Jahres ging es um die Alben des vergangenen Jahrzehnts, heute sind die Songs dran. Auch hier ist es nur eine Momentaufnahme, ein kurzer Augenblick, aber dennoch sind vor allem in den Top 10 Songs vertreten, die mich meistens schon seit Erscheinen in Verzückung, Aufregung oder aber auch den Wahnsinn getrieben haben. Ich wünsche wie immer viel Spaß bei Lektüre und audiovisuellem Genuß und wünsche auf diesem Wege all meinen in diesem Jahr zahlreich gewordenen Lesern einen fulminanten Rutsch ins neue Jahr und viele spannende musikalische Entdeckungen für 2011.

01 Rocky Votolato - Suicide Medicine




02 The Mountain Goats - Up The Wolves



03 Shearwater - Rooks



04 The Decemberists - Eli, The Barrowboy



05 Vic Chesnutt - Coward



06 Morrissey - First Of The Gang To Die



07 Arcade Fire - Intervention



08 Patrick Wolf - The Libertine



09 Morrissey - Irish Blood, English Heart



10 DeVotchKa - How It Ends




11 Ed Harcourt - Rain On The Pretty Ones
12 David Ford - Go To Hell
13 The Decemberists - The Infanta
14 The White Stripes - Hotel Yorba
15 Anywhen - The Siren Songs
16 The White Stripes - Little Ghost
17 Mumford & Sons - White Blank Page
18 Arcade Fire - Neighborhood #3 (Power Out)
19 Björk - Hidden Place
20 Rocky Votolato - Automatic Rifle
21 DM Stith - Fire Of Birds
22 Nick Cave & The Bad Seeds - Fifteen Feet Of Pure White Snow
23 Seth Lakeman - Lady Of The Sea
24 The Decemberists - The Mariner's Revenge Song
25 The Mountain Goats - Maybe Sprout Wings
26 Patrick Wolf - The Childcatcher
27 Teitur - The Singer
28 A Whisper In The Noise - Havoc
29 The Decemberists - We Both Go Down Together
30 The Divine Comedy - A Lady Of A Certain Age
31 Patrick Wolf - Damaris
32 Tom McCrae - Bright Lights
33 The Veils - Under The Folding Branches
34 Jens Lekman - Friday Night At The Drive-In-Bingo
35 Johnny Cash - Hurt
36 Chris Bathgate - Serpentine
37 The Decemberists - The Chimbley Sweep
38 James - White Boy
39 Pascal Finkenauer - Unter Grund
40 Joanna Newsom - Emily
41 Bon Iver - Flume
42 Phillip Boa & The Voodooclub - Punch & Judy Club
43 Morrissey - Don't Make Fun Of Daddy's Voice
44 Jacob Golden - Out Come The Wolves
45 The National - Start A War
46 Fleet Foxes - Oliver James
47 Arcade Fire - Rebellion Lies
48 Kettcar - Balu
49 The Dresden Dolls - Sing
50 The Felice Brothers - Frankies Gun!
51 The National - Fake Empire
52 Tocotronic - Explosion
53 Einstürzende Neubauten - Nagorny Karabach
54 The Killers - Andy, You're A Star
55 The Mountain Goats - Moon Over Goldsboro
56 The New Pornographers - Entering White Cecilia
57 Portishead - Machine Gun
58 Shearwater - The Snow Leopard
59 Raphael - Caravane
60 The Decemberists - We Both Go Down Together
61 Silver Jews - Aloysius, Bluegrass Drummer
62 The White Stripes - Fell In Love With A Girl
63 Sufjan Stevens - Chicago
64 Vampire Weekend - Oxford Comma
65 Sons & Daughters - Gilt Complex
66 Bill Callahan - Rococo Zephyr
67 Klez.E - Madonna
68 My Morning Jacket - Gideon
69 Nick Cave & The Bad Seeds - As I Sat Sadly By Her Side
70 James - Hey Ma
71 The Hidden Cameras - Mississauga Goddamn
72 Einstürzende Neubauten - Sabrina
73 The Divine Comedy - The Happy Goth
74 Pulp - The Night That Minnie Timperley Died
75 Editors - All Sparks
76 Interpol - Evil
77 Sufjan Stevens - Decatur
78 Björk - Mouth's Cradle
79 I Am Kloot - No Fear Of Falling
80 Damien Rice - The Blower's Daughter
81 The Decemberists - July, July
82 The Knife - Marble House
83 Johnny Cash - I See A Darkness
84 Morrissey - That's How People Grow Up
85 Björk - Oceania
86 Teitur - Sleeping With The Lights On
87 Phillip Boa & The Voodooclub - Burn All The Flags
88 Among The Oak & Ash - Hiram Hubbard
89 Zac Brown Band - Toes
90 The White Stripes - Conquest
91 Damien Rice - Delicate
92 Seachange - Anti-Story
93 Patrick Wolf - Bluebells
94 Beirut - Elephant Gun
95 Goldfrapp - Utopia
96 Morphine - The Night
97 The Mountain Goats - Dance Music
98 The View - The Don
99 Architecture In Helsinki - The Cemetary
100 Black Box Recorder - British Racing Green

Puh, 100 sind 'ne Menge aber eingentlich auch wieder nicht, wenn man bedenkt, was ich eigentlich noch alles so hinzufügen hätte können. So sehen sie jedenfalls aus, die meiner Meinung nach besten Songs im Zeitraum vom 1.1.2000 bis zum 31.12.2009.

Mittwoch, 22. Dezember 2010

Hitparade - Und sonst?

Man mag es kaum für möglich halten, doch neben den vielen bereits in den einzelnen Kurzrezensionen und Vorstellungen erwähnten Künstlern hat sich der Bänkelsänger auch teils abseits der gewohnten Folkpfade umgehört. Klar hätten jetzt hier auch die in vielerlei Publikationen meist zurecht hochgelobten "neuen" Elektronik-, (Post)-Dubstep und Bedroom-Pop/Rock oder Glo-Fi (tolle neue Schublade) stattfinden können, ich finde allerdings, dass es noch ein paar andere spannende Publikationen wert wären, eine Rolle zu spielen. Und so sind hier 33 Alben des vergangenen Jahres versammelt, die vor allem eins gemeinsam haben: sie sind schon richtig toll.
Klar sind auch hier wieder die Folker und Songwriter im Vordergrund, so hat mich zum Beispiel die verquere Stimmfarbe Nathaniel Rateliffs schon sehr verzaubert uind auch das an konventionellen Brit-Folk angelehnte "Lucy And The Wolves" von Martha Tilston ist sehr unterhaltsam und abwechslungsreich. Eher klassisch kommt dann der Prince Of Assyria daher, ähnlich den luftig-lockeren Arragements von The Mountains & The Trees, die jedoch auch mit Melancholie punkten können. Das wäre dann das Stichwort für Lucas Renney und den unter dem Bandnamen "Villagers" auftretenden Conor J. O'Brien. Ebenso berüherend, wenn doch näher am amerikanischen Folk sind die Vatican Cellars und die wunderbare Karen Elson, bei deren Debut man schon das ein oder andere Mal die Handschrift des Gatten Jack White erkennt. Bei Frauenstimmen fällt mir dann wiederum Kyrie Kristmanson ein, ihre Varianten jazziger und chansonesker Songwriterkunst haben mich gerade in den letzten Wochen das ein oder andere Mal verzückt. Neben diesen doch eher folkorientierten Alben dürfen aber auch weitere Spielarten wie zum Beispiel Bluegrass und den damit hier vertretenen Trampled By Turtles nicht vergessen werden. Psychedelischer wird's mit den Ganglians, intimer und verstiegener mit Julian Lynch und seinem sonderbaren "Mare". Etwas aus deutschen Landen gefällig? The Green Apple Sea bieten hier mit Northern Sky, Southern Sky fabelhafte Abhilfe. Traditionelle Klassiker und aufregende Coverversionen: fragen sie mal bei Tom Brosseau und Angela Correa von Les Shelleys nach. Straubtrockener Outlaw-Country mit Mumford & Sons-Appeal wird hingegen von Danny & The Champions Of The World zum Besten gegeben, wer den klassischen Singer/Songwriter mit Bodenhaftung bevorzugt, greife zu Philip Selways Solodebut "Familial". Ätherischer Bluesfolk wäre dann noch Angelegenheit von Will Stratton, eine jazzig-cabareteske Variation bieten Paul Wallfisch und seine Band Botanica. Ach so, eine Harmonie- und A Capella-Variante fehlt noch: I Am Oak hatte da 2010 was in petto.
Ob das jetzt streng genommen alles Folk oder Folkverwandetes ist, mag dahin gestellt sein, sicher ist nur: die Künstler und ihre aktuellen Alben sind allesamt mehr als empfehlenswert.
Verlassen wir aber nun die heimischen Gefilde und sehen uns noch ein wenig im Grenzgebiet um: Auch hier hat sich 2010 ein heerer Reigen in mein Herz gespielt, Newcomer, alte Hasen und Wiedergänger inklusive.
Zu Beginn empfehle ich das mir sicherlich nicht zwingend zugetraute aktuelle Agalloch-Album (welches ich weiland mit respektablen 80% bei AUFTOUREN bewertet habe). Dann die artverwandeten, jedoch mehr dem flächigen und shoegazernderen Metal zugeneigten Les Discrets, die meine eigentlichen Lieblineg auf diesem Gebiet um Längen geschlagen haben. Wive muss ich auch noch erwähnen, schließlich sind die ja quasi die "A Whisper In The Noise"-Nachfolgeband. Bleiben wir bei eher instrumentalen Auswüchsen muss auch noch auf das junge "Baths" betitelte Projekt Will Wiesenfelds hingewiesen werden, dass unter den vielen guten elektronischen Veröffentlichungen meiner Meinung nach erheblich herausragt. Nehmen wir hier noch die Berlinerin Zazie von einem anderen Stern und ihre watteweich ausgekleideten Fieldrecordings, die breit und verwaschen klingenden Altar Eagle vom erstklassigen Type-Label (bei denen ich auich schon den fabelhaften Richard Skelton entdeckt habe) und die Freak-Folker von Kyu hinzu, hat man einen herrlich spinnerten Rahmen, der sich sicherlich auch als Mixtape für den Lazy Sunday eignet. Und den man dann mit einem Glas Rotwein und den seidigen Klängen Peter Brodericks ausklingen lassen kann. Zum Schluß dann noch ein wenig Pop!?! Allerdings nicht ganz der konventionellen Machart: Syd Matters variiert munter Folk- und Pop-Versatzstücke zu einem opulenten Kunstwerk, Jonas Johnson und sein Projekt Bedroom Eyes stehen ihm da in nichts nach. Perfume Genius wiederum geht die Pop-Sache spleeniger und spröder aber nicht minder fazinierend an, und an der Opulenz und Verve eines Rufus Wainwright mag man ja nun wirklich zu keiner Zeit zweifeln.
Beschließen wir den Reigen nun mit Tu Fawning, dessen Debut in weiten Teilen der Welt bereits veröffentlicht ist, der deutsche VÖ-Termin jedoch mit dem 7.1. 2011 auch Gott sei Dank nicht mehr weit entfernt ist. Ich sag mal nur: Gospel-Folk-Pop-Bedroom-Rock-Irgendwas mit solcher Eleganz uzd Wärme, das das draußen langsam einsetzende Tauwetter mit Sicherheit nicht von ungefähr kommt.







 

Dienstag, 21. Dezember 2010

Hitparade - Die Songs des Jahres

Gestern waren die Longplayer dran, heute sind es die Songs, die dem Bänkelsänger im vergangenen Jahr am meisten Freude bereitet haben. Auch hier gilt natürlich die Devise: es können nicht alle mit! Interessant ist allemal, das es zwei deutschsprachige Pretiosen in die Top3 geschafft haben und in eben dieser Top 3 mit Jamie Woon ein Künstler vertreten ist, dessen Album wohl eine der größten Hoffnungen für 2011 ist. Ich wünsche wiederum viel Spaß mit der Lektüre und natürlich ebenso viel Freude beim gleichzeitigen Hörgenuß:

1. Gisbert Zu Knyphausen - Kräne



2. Jamie Woon - Night Air



3. Hans Unstern - Paris



4. Sam Amidon - How Come That Blood



 5. Joanna Newsom - Good Intentions Paving Co.



6. Shearwater - Castaways
7. Marc Almond - Nijinsky Heart
8. Nina Nastasia - This Familiar Way
9. Lost In The Trees - Walk Around The Lake
10. Niall Connolly - America
11. Anna Calvi - Jezebel
12. Tocotronic - Die Folter Endet Nie
13. Josh Ritter - Folk Bloodbath
14. Stornoway - Zorbing
15. Ed Harcourt - When The Lost Don't Want To Be Found
16. Dylan Leblanc - 5th Avenue Bar
17. Xiu Xiu - Dear God, I Hate Myself
18. Zola Jesus - Night
19. Man's Gin - Hate.Money.Love.Women
20. The New Puritans - We Want War

Montag, 20. Dezember 2010

Hitparade - Die Alben des Jahres


4 Tage vor Weihnachten darf man Rückschau auf 2010 halten und stellt fest, dass sich seit dem letzten Quartal bezüglich der besten Alben des Jahres nicht mehr allzuviel getan hat. Wie letztes Jahr auch am 20.12. gibt's nun die Top 30 in herrlich komprimierter Listenform, geschmackssicher zusammengestellt und hoffentlich auch anregend für die geneigte Leserschar. Ach, und wer meint, extakt die gleiche Liste schon mal irgendwo gesehen zu haben, der hat bestimmt schon bei den heute den AUFTOUREN'schen Listenwahn beschließenden Einzellisten geschaut.

Wohlan:

01 Sam Amidon – I See The Sign

Das wohl interessanteste, Nostalgie und Moderne verknüpfende Folkalbum des Jahres


02 Josh Ritter – So Runs The World Away

Der grosse Americana-Bilderbogen

03 Anais Mitchell – Hadestown

Die schönste und mitreißendste Folkoper seit "Ys"

04 Joanna Newsom – Have One On Me

Harfe hin oder her, 18 vorzüglich intonierte musikalische Leckerbissen

05 Nina Nastasia – Outlaster

Zartbitter wie feinste Edelschokolade

06 Shearwater – The Golden Archipelago

Meiburg auf Vogelschau, verblüffend opulentes Folkrock-Werk

07 Mark Growden – Saint Judas

Prog-Folk, für den Tom Waits-Moment 2010

08 Marc Almond – Varieté

Rauf auf die Bühnen der Welt: barocker und ausschweifender war 2010 kaum ein Album

09 Hans Unstern – Kratz Dich Raus

Einmal noch: kauziger geht's nicht, dennoch das beste deutschsprachige "Debut" seit Ewigkeiten

10 Arcade Fire – The Suburbs

Die können's immer noch, Win und Regine im Folk-Pop-Wunderland in Technicolor


Nicht zu vergessen, die folgenden auch noch mehr als herausragenden Alben:

11 Gisbert Zu Knyphausen – Hurra! Hurra! So Nicht
12 Erland & The Carnival – Erland & The Carnival
13 Niall Conolly – Brother, The Fight Is Fixed
14 C.W. Stoneking – Jungle Blues
15 Lone Wolf – The Devil & I
16 Tocotronic – Schall & Wahn
17 The National – High Violet
18 Wildbirds & Peacedrums – Rivers
19 John Grant – Queen Of Denmark
20 David Karsten Daniels & Fighting The Big Bull – I Mean To Live Here Still
21 Wovenhand – The Threshingfloor
22 Owen Pallett – Heartland
23 Xiu Xiu – Dear God, I Hate Myself
24 Alasdair Roberts – Too Long In This Condition
25 Strand Of Oaks – Pope Killdragon
26 Skywatchers – The Skywatchers Handbook
27 Dylan LeBlanc – Paupers Field
28 The Gilded Palace of Sin – You Break Our Hearts, We’ll Tear Yours Out
29 Horse Feathers – Thistled Spring
30 These New Puritans – Hidden

Mittwoch, 15. Dezember 2010

Eleanor Murray



Westwärts...

Olympia im Staate Washington, also ganz im Westen der Vereinigten Staaten der USA.
Eine mittelgroße Stadt, die so gar nichts mit den Rekordejagden der Weltjugendspiele am Hut hat, vielmehr irgendwie idyllisch von Bergen gesäumt vor sich hin träumt.
Irgendwo hier muss sich Eleanor Murray eines Tages gedacht haben: Ich möchte Folk-Sängerin werden. Gut so! Mit ihren Mitmusikern Pam Margon, Austin Cooper, Ben Kamen und Jon Cappioca ist ihr das nämlich ganz vorzüglich gelungen.
Anders als die größeren Namen in dieser uramerikanischen Traditionsschublade findet Murray ihre Wurzeln aber nicht bei klassisch-konventionellen Liedwerten, vielmehr lässt sie ihre Ideen selbst wie in Einmachgläsern konservieren und schafft es so, trotz vieler unterschiedlicher Ansätze ein prallgefülltes, aber dennoch abwechslungsreiches Vorratsregal anzulegen. Sicher, manche dieser eingelegten Leckereien ist schon eifrig süß, was aber nicht zuletzt an der fein ziselierten Stimme Murrays liegt.
Die Zutaten sind breit gefächert, hier schnarrt eine Geige, da trabt ein wenig Schlagwerk, ein wenig Country-Atmosphäre wie im letzten "When A Heart Becomes A Heart" betitelten Stück darf auch nicht fehlen. Es ist aber vielmehr die Originalität der fertigen Gaben, die sich leuchtend vor dem Hintergrund abheben. So wie wenn in "Come Alive" ein Windspiel im Gleichklang mit der pendelnden Gitarre zum Zwiegesang auftritt, "Scream" sogar ein wenig ruppig und scharfzüngig daher kommt und das ätherische "Trails Of A Star" Ruhe und Kontemplation verheißt.
Irgendwie erinnert Miss Murray ein wenig an die manchmal auch ein wenig überambitioniert scheinenden Musiker von Chapeau Claque, wenngleich der Vergleich schon aufgrund der weit verschachtelteren Texte der Erfurter hinkt und die Amerikanerin nun doch nicht so viel Pop-Appeal verspricht.
"Oh Thunder" ist reichhaltig geworden, wenn auch nicht üppig. Ein wenig wie ein geschmackssicherer Käseteller, den man unter der Glasglocke betrachtet und sich vor lauter Auswahl gar nicht entscheiden kann. Greift man jedoch hier zu, hat man mit Sicherheit einen Leckerbissen erwischt.

Guten Appetit!

Samstag, 11. Dezember 2010

Richard Skelton



Durch Feld und Flur.

Es ist schön, wenn man sich musikalisch überraschen lassen kann. Manch einer weiß, dass der Bänkelsänger sich auch abseits des hauseigenen Blogs schreiberisch betätigt, und hat bei den unterschiedlichen Querverweisen hier auch entdeckt, dass die große Jahresabstimmung der Redaktion von AUFTOUREN, das Jahr in Tönen gerade erfolgt ist, zu dem auch die Rubrik "Geheime Beute" gehört.
...und in dieser "Geheimen Beute" ist der Bänkelsänger fündig geworden.
Richard Skelton heißt der Mann, der sich mit ausufernder Strahlkraft auf "Landings" in des Bänkelsängers' Herz musiziert und wandert doch ziemlich abseits der sonst so heiß geliebten Folkwege.
Man mag es Avant-Folk, Ambient oder Modern Classical nennen können. Man könnte auch Schubladen wie Dream Drone, Contemporary Field Recordings oder instrumentale Natur-Avantgarde nennen, sicher ist nur: was er da mit bearbeiteten Streichern, den eben erwähnten Field Recordings und so manch weiterer (elektronischer) Spielerei bewerkstelligt, ist eigentlich gar keiner musikalischen Einordnung notwendig.
So werden eifrig ausgelegte Spuren gleich wieder verwischt und beginnen sich direkt wieder neu auszubreiten. Plätscherndes Wasser umspielt die wie auf tropfnassem Moos gebetten Töne, denen immer eine gewisse Unruhe anzumerken ist. "Of The Last Generation" verschiebt hierzu verschiedene mit Naturmaterialien bearbeitete Streichinstrumente immer wieder voneinanderweg und wirkt wie die geordnete Unruhe eines Ameisenhaufens. "Scar Tissue" und "Threads Across The River" laden zur beschaulich-schaurigen Reise in den Düsterwald.
Gesang gibt es keinen auf "Landings" und doch wirken die vielen, über mehrere Jahre gesammmelten Aufnahmen wie Chöre aus Wald und Feld, ein sanftes, waberndes Summen und Brummen, ein Aufbäumen der Natur, bei der es nicht leicht wird, sich nicht als Eindringling zu fühlen. Skelton ist mit "Landings" Erfinder und Entdecker zu gleich, schafft er es doch sowohl einen eigenen grünen Dom zu errichten, der sich organisch aus Dickicht und Ebene erhebt, und sich doch klanglich in die erlebte Landschaft einfindet.
...es ist sicherlich ein Expriment, sich auf Skeltons "Landings" einzulassen, dessen Strukturen sich nur mit Geduld unter Steinen, Laub und Geäst finden, aber allein der Versuch kann süchtig machen.

Ein Aufmerker:
 

Dienstag, 7. Dezember 2010

My monthly Mixtape: Dezember



Glätte und Rutschgefahr haben das monatliche Mixtape im Dezember ein wenig aufgehalten, gepaart mit leicht virulenten Umständen, aber jetzt ist alles unter Dach und Fach und es kann wieder gelauscht werden. Das letzte offizielle Mixtape des Jahres hält einige spannende Hoffnungen für 2011 bereit, aber auch Künstler mit einem gewissen Bekanntheitsgrad dürfen nicht fehlen. Von energischem Vaudeville-Pop zu flirrenden Songwritersperenzchen, progressiv-gewaltigem Folkgewusel und natürlich! dem ein oder anderen Weihnachtsliedlein ist ein ganzes Potpourri von schönen und höchst hörbaren Stückchen vertreten.
Man höre und genieße:

01. Anna Calvi - Jezebel
02. Jamie Woon - Night Air
03. C.W. Stoneking - Jungle Blues
04. Guro Von Germeten - Bitter
05. Man's Gin - Hate.Money.Love.Woman
06. The Decemberists - Down By The Water
07. Les Shelleys - Rum And Coca-Cola
08. Kyrie Kristmanson - Birdsong
09. Emily Jane White - Requiem Waltz
10. Kele Goodwin - Free
11. The Vatican Cellars - The Wreck Of Alba
12. Matthew Friedberger - Shirley
13. Destroyer - Chinatown
14. Fern Knight - From Zero To Infinity
15. El Boy Die - Moona Luna Tears
16. Secret Mountains - Rejoice
17. Malachai - Rainbows
18. Sufjan Stevens - That Was The Worst Christmas Ever!
19. Annie Lennox - God Rest Ye Merry Gentlemen

Kele Goodwin darf dieses Mal das auserwählte Hörstück zum Besten geben:




...demnächst selbstversändlich auch wieder beim "Radio der von Neil Young Getöteten"

Sonntag, 5. Dezember 2010

Guro von Germeten

Eine Norwegerin mit rotem Akkordeon wandelt auf Waitsschen Spuren.

Zirkus, Zirkus, Zirkus. Vorhang auf, Manege frei, hier kommt Guro von Germeten. Ihr blankpoliertes Instrument im Anschlag läuft sie federnden Schrittes in die Mitte der Arena, blickt nach rechts und links und beginnt zu singen. Begleitet von einer singenden Säge wird "Accordion Night" angestimmt, Opener und Motto ihres englischsprachigen Debuts "Bad Dreams And Good Nightmares". Doch nicht nur der schneidende Klang der Säge und das Auf und Ab des Akkordeons verzückt mit wunderbar nostalgisch angehauchten Klängen, auch die Künstlerin wandelt sich von der hell strahlenden Zirkusfee zur geheimnisvollen Nachtgestalt.
"Bitter" ist zum Beispiel gar nicht mehr so leichtfüßig, sondern sehnsüchtelt eher vor sich hin, nicht ohne Schwung, aber schon mit ruhigerem, bestimmten Duktus, hier begleitet stakkatoartiger Schreibmaschinenanschlag die nebulöse Szenerie. Von Gurmeten wechselt auf ihrem Album Stimmungen im Minutentakt und bleibt ihrem Sujet zwischen Zirkus und Rummelplatz, Panoptikum und Varieté doch immer treu. Sie lässt Seemänner auf die Bühne, sehnt sich nach einem Spinnenmann, lädt zur lebensfrohen Tarantella und tanzt auf einer ausgelassenen jüdischen Hochzeit.
Tänzelnde Melodien sind die roten Fäden die "Bad Dreams And Good Nightmares" durchziehen, ob Walzer oder eben Tarantella, ob Zirkuspolka oder Fox, die Bandbreite ist auch hier unwahrscheinlich groß und doch wirkt das Album, vor allem auch wegen seiner wohlfeil gewählten Instrumentierung wie aus einem Guß. Natürlich steht auch hier das Akkordeon in allen Titeln an exponierter Stelle, dennoch ist es häufig genug auch nur schelmischer Begleiter, wie im von Kirmesorgeln eingeleiteten "Polka Dot Dress For You". Ob Spieluhr, Regentropfen, Streichercapricen, Percussion aus aller Herren Länder oder ein schlichtes Piano, Guro von Germeten zieht alle Register, und nicht nur an den eben erwähnten Orgeln.
Manchmal wird "Bad Dreams And Good Nightmares" vielleicht ein wenig zu sehr Schaustück, vor allem weil man selbst nach mehreren Hördurchgängen noch längst nicht all diese feinen kleinen Kabinettstückchen wahrgenommen hat, und doch fühlt man sich immer wieder schnell in die einzelnen kleinen Episoden hineingezogen.
Es sind eher die drolligen Einfälle wie bei einm geglückten Zaubertrick, denn die akribische Eleganz einer Seiltänzerin die das Album in jedem Moment unvorhersehbar machen, und dass lässt auf eine immer wieder herrlich ausstaffierte Vorstellung hoffen.

Leider gibt es nur einige wenige Live-Mitschnitte, aber die Myspace-Seite und auch die oben angegebene Homepage haben so einige Kunststückchen vorbereitet: