Dienstag, 22. Dezember 2015

Hitparade - Die Alben des Jahres 2015


Auch dieses Jahr soll eine Hitparade der tollsten, hörenswertesten, überraschendsten und spannendsten Alben nicht fehlen. Insgesamt überrascht in diesem Jahr eine Hinwendung zum Pop, der mal elegant, mal raffiniert, mal experimentiell und mal sogar avantgardistisch dargeboten wird. Doch auch Freunde bänkelsängertypischer Musik kommen auf ihre Kosten, sorgen doch auch ausgewählte Schmankerln aus den Sparten Folk, Alt-Country und Americana für Furore. Und nun Vorhang auf für die Top 40:

 01 Destroyer – Posion Season

Schon nach zwei bis drei Hördurchgängen stand fest, dass Den Bejar dieses Mal etwas noch Großartigeres geschaffen hatte, als auf seinen vorherigen Alben. Süffiger, raffinierter Pop, der sich geschmeidig in alle Richtungen ausstreckt und vor Verve und Eleganz nur so strotzt.

02 Daniel Knox – Daniel Knox

Daniel Knox steht der diesjährigen Nummer Eins in fast nichts nach, bedient er doch ähnliche Aufnahmekanäle. Auch hier überzeugen die  feingesponnene Arrangements, die Knox mit seinem überragenden Bariton noch veredelt.

03 Roomful Of Teeth – Render

Nahezu gänzlich ohne Instrumentarium sorgen Roomful Of Teeth dieses Jahr für die Überraschung auf dem Bänkelsänger. Klassischer Kammerpop von neun Ausnahmestimmen, herausragend im Konzept, vortrefflich in der Ausführung.
 
04 John Grant – Grey Tickles , Black Pressure

Das verquerste Album Grants ist zugleich sein bestes. Das liegt nicht nur am alles überstrahlenden "Disappointing", vielmehr versammelt Grant hier all seine Tugenden und Boshaftigkeiten und formt ihnen perfekt passende klangliche Rahmen.
 
05 Joanna Newsom – Divers

Heiß ersehnt und gleich wieder verliebt. Dass "Divers" ihr vielleicht konventionellstes Album sei, wurde aller Orten bereits diskutiert, wenn aber Konvention zu solch fabelhaften Kompositionen wie dem ätherischen Titeltrack oder dem samtenen "Leaving This City" führt, bin ich mal ausnahmsweise Fan der Konvention. 

06 Julia Holter – Have You In My Wilderness

Auch Julia Holter baut ihre Sounds weiter zu verführerischen unnahbaren Popsongs aus, und erschafft trotzdem turmhohe Gefühlswelten, die zwischen Autobiographischem, Weltschmerz und sanfter Psychologie oszillieren.  

07 Chelsea Wolfe – Abyss

Die dunkle Note meiner Top Ten stammt eindeutig von Chelsea Wolfe, deren nokturne Klanggewalt enorme Vehemenz gewonnen hat. "Abyss" ist ein gravitätischer Tiefenrausch voller Verletzlichkeit, doch flicht sich immer wieder metallisch glänzende Melodien ein.

08 Sarah Kirkland Snider – Unremembered

Dass es ein Komponistenalbum in die Top Ten schafft, war ebenfalls nicht vorauszusehen. Doch was Sarah Kirkland Snider auf "Unremembered" DM Stith, Shara Worden und Padma Newsom in den Mund legt, sind wohlfeile Kunstlieder voll von Kindheitserinnerungen. 

09 Circuit Des Yeux – In Plain Speech

Kapriolenschlagener Art-Pop an der Grenze zum Experiment mit Exkursen in aller Herren Genres: "In Plain Speech" ist ein Gesamtkunstwerk, an dessen Spitze das himmlische "Fantasize The Scene" steht.

10 Josh Ritter – Sermon On The Rocks

Ein bisschen "echter" Folk und Country sollte sich auch noch in den Top Ten tummeln und so sorgt Josh Ritter mit seiner hervorragenden neuen Songsammlung, in denen vor allem die Singalongs "Getting Ready To Get Down" und Henrietta, Indiana" sowie das pianogetränkte Spoken-Word-Wunder "Homecomin'" hervorstechen.

Den Rest nach den Zehn gibt es wieder in Listenform. Hier tummeln sich liebgewonnene Lieblingsbands, überrragende Newcomer, spannende Quereinsteiger und erstaunliche Grenzgänger:

11 Father John Misty – I Love You, Honeybear
12 The Decemberists – What A Terrible World, What A Beautiful World
13 Autre Ne Veut – Age Of Transparency
14 Tocotronic – Tocotronic (das rote Album)
15 Ryley Walker – Primrose Green
16 Marlon Williams – Marlon Williams
17 Susanne Sundfor – Ten Love Songs
18 Matthew E. White – Fresh Blood
19 The Mountain Goats – Beat The Champs
20 Will Varley – Postcards From Ursa Minor

21 Brandown Flowers – The Desired Effect
22 Noah Gundersen – Carry The Ghost
23 Algiers – Algiers
24 Myrkur – M
25 Wanda – Bussi
26 Sufjan Stevens – Carrie & Lowell
27 Jonas Carping – Cocktails & Gasoline
28 Natalie Prass – Natalie Prass
29 Trembling Bells – The Sovereign Self
30 Jessica Pratt – On Your Own Love Again

31 Alasdair Roberts – Alasdair Roberts
32 The Dropout Patrol – Sunny Hill
33 Jackie Oates – The Spyglass & The Herringbone
34 Federal Lights – Coeur De Lion
35 Punch Brothers – The Phosphorescent Blues
36 Binoculers – Adapted To Both – Shade And Sun
37 Romano – Jenseits Von Köpenick
38 Red River Dialect – Tender Gold And Gentle Blue
39 Bilderbuch – Schick Schock
40 Tom Liwa Mit Flowerpornoes – Umsonst & Draußen

Vielleicht schicke ich am Jahresende noch ein "Und sonst?" nach, das jene Alben, EPs und Songs beinhalten soll, denen zumindest eine oder mehrere lobende Erwähnungen gebühren und die sonst nirgendwo auftauchen. Bis dahin rate ich zum Ohrenöffner, der dieses Mal Platz 3 gebührt:

 

Montag, 21. Dezember 2015

Hitparade - Die Songs 2015



Während im Hintergrund Stara Rzekas Album „Zamknely sie oczy ziemi“ sich seinen Weg in die Gehörgänge bahnt und ich noch am Jahresende noch auf der Suche nach dem ultimativen Geheimtipp oder der übersehenen Pretiose bin, kann ich ja schon mal anfangen, ein wenig Jahresrückblick zu wagen. Völlig untypisch, geht es dieses Mal mit den Songs los, die mich in den vergangenen 12 Monaten begeistert, erschüttert, weggeblasen, erheitert, gefangen genommen, fasziniert und aufgerüttelt und mir wahlweise Stehhaare, Freudentränen, Lächeln ins Gesicht oder spontane Gefühlsregungen in Gesicht und Körper verursacht haben.
Waren sonst die Albenbeiträge, die ohnehin schon in meiner Jahreshitparade auftauchen, nicht namentlich erwähnt, gehe ich dieses Jahr auch hier andere Wege und beschreibe nicht mehr und nicht weniger die Top Ten meine Lieblinge in Wort und Ton (sofern vorhanden.)

Vorhang auf:

1 John Grant – Disappointing

Dieses Jahr führte kein weg an John Grants Hymne an die Liebe vorbei, "Disappointing", gemeinsam mit Tracey Thorn kongenial im Duett fabriziert und mit hinreißenden Bildern im dazugehörigen Bildern versehen:



2 Dawes – All Your Favourite Bands

Dawes haben neben John Grant wohl den besten Mitsingrefrain geliefert, mit dieser wundervollen Zeile, die sowohl Hoffnung, Melancholie als auch Wunschdenken vereint: "and may all your favourite bands stay together":

3 Josh Ritter – Getting Ready To Get Down

Unterschätzen wird Josh Ritter nach mehreren tollen Alben in Folge niemand mehr, das beweist er auch auf seinem aktuellen Werk "Sermon On The Rocks". Und  wenn dort solch schmissiger Roots-Rock-Line-Dance-Country drauf ist wie bei dieser Augenzwinkerei kann nichts schief gehen: 


4 Nathaniel Rateliff & The Night Sweats – S.O.B.

Den hatte ich vorschnell zum Hit des Jahres gekürt, jetzt reicht es nicht mehr ganz für das Treppchen. Egal, "S.O.B." ist immer noch ein heißer Feger aus kontemporären Rhythm'n'Blues, zu dem man einfach tanzen muss:



5 Destroyer – Times Square

Vorweggenommen: Destroyers "Time Square" steht hier stellvertretend für eine ganze Reihe an Songs auf dessen Album "Posion Season", doch dazu später mehr. Funkelperlenschöner lupenreiner Pop für die blaue Stunde:




6 Love A – 100.000 Stühle Leer

Deutscher, zugegeben angepoppter Punk findet außerhalb von den mir sehr verehrten Turbostaat nur sehr sehr selten auf dem Bänkelsänger statt. Love A mit ihrem wichtigen "100.000 Stühle leer" könnten hier (mit dem insgesamt auch sehr ansprechenden dazugehörigen Album "Jagd & Hund")  für Abhilfe schaffen:



7 Father John Misty – Bored In The USA

Ziemlich zu Anfang des Jahres sorgte diese herausragende Hommage an den barocken Pop der 60er-Jahre mit dem zynischen Text für Furore, und hat sie sich bis heute bewahrt:


8 Autre Ne Veut – Age Of Transparency

Ein Future-Soul-Künstler, bei dem ich mich dieses Jahr nicht entscheiden konnte. Das Album eine Großtat, doch der Titelsong noch viel viel größer. Allein der Chorus und das schmelzende Saxophon versetzen Berge:



9 Brandon Flowers – Can't Deny My Love

Der hartnäckigste Ohrwurm des Jahres gebührt Brandon Flowers, dessen "Can't Deny My Love" einfach überall funktioniert, beim Autofahren, beim Bügeln, Kochen, in der Disco:


10 Tocotronic – Jungfernfahrt

Lärmiger Pop mit Selbstbezug. So schön konnte man schon lange nicht mehr mit den vier Jungs schwelgen. Und live waren sie ein Triumph (und wer sich jetzt wundert warum da unten "Zucker" läuft, leider war es mir nicht möglich ein adäquat einbettbares Klangbeispiel zu finden, und "Zucker" ist mittlerweile fast eben so stark):



Die weiteren Plätze im Überblick sehen dann wohl so aus:

11 Will Varley - As To My Soul
12 Jan Koch und das alte Cello – Seemannsgarn
13 Sfir – (Der Geruch von) Große Welt
14 Circuit des Yeux – Fantasize The Scene
15 The Decemberists – Cavalry Captain
16 Tom Liwa mit Flowerpornoes – Federkleid
17 Majical Cloudz – Silver Car Crash
18 Will Butler – Anna
19 Miguel – Coffee
20 Daughn Gibson – Shatter You Through

Montag, 23. November 2015

My (monthly) Mixtape 2015/11



Jetzt, nachdem endlich (fast) alle Blätter gefallen sind und es draußen knackig kalt geworden ist, ist wieder mehr Zeit für gute Musik. Grung genug, sich die erlesene Auswahl auf dem Mixtape des Monats einmal genauer zu betrachten. Die Novemberausgabe versammelt hierbei auf gut 70 Minuten Spielzeit Abersonderliches, trifft doch Adeles Breitwandorgan auf die Orgeldrones von Anna Von Hausswolff, der vertrackte Experimental-Trap von Rabit auf den Roadtrip-Country von Eric Church oder der erfreulich erfrischende Songpoet Jan Koch und das alte Cello auf die verträumt psychedelischen Australier von King Gizzard & The Wizard Lizard. Ach, und wieder Mal eröffnet ein potentieller "Song des Jahres" das Mixtape: 

01. Will Varley - As for My Soul
02. Baron - Dragonfly
03. Matt Bauer - Fields, No Body
04. Nadia Reid - Track of the Time
05. King Gizzard & The Lizard Wizard - Bone
06. Eric Church - Mistress Named Music
07. Jan Koch und das alte Cello - Seemannsgarn
08. Jacob Faurholt - Future Wife
09. Grimes - California
10. Adele - I Miss You
11. Anna von Hausswolff - Evocation
12. Rabit - Fetal
13. Emily Portman - Darkening Bell
14. Martin Courtney - Northern Highway
15. Corb Lund - Sadr City
16. Von Brücken - Lady Angst
17. Guy Garvey - Belly of the Whale
18. Josh Ritter - Homecoming


Wählen wir aufgrund der Vielfältigkeit des Ohrenöffner mit Bedacht:




Sonntag, 8. November 2015

JP Hoe



Eine kleine Herbstmusik.

Vor kurzem hatte ich hier ein paar Worte über den sanft schmeichelnden Indiefolk der Kanadier von Federal Lights verloren. Gemeinsam mit diesen war der Songwriter JP Hoe im Herbst auf der Canadian Showcase-Tour und hat mit „Hideaway“ nahezu zeitgleich sein neues Album veröffentlicht.

Auf „Hideway“ versammeln sich kraftvolle und geschmackvoll dicht ausstaffierte Country- und Folksongs, die JP Hoe immer mit so einem gewissen Sehnsuchtskick in der Stimme vorträgt. „Learn To Let You Go“ ist so einer von diesen Songs, in den Strophen mit ausreichend Streichereleganz umgarnt, bricht es im Chorus komplett aus dem Sänger heraus, der mir nichts, dir nichts zum seelenvollen Crooner wird. Der leichte Crisp in seiner Stimme veredelt, neben den lässigen Pianoakkorden und den Background-Bläsern auch das folgende „Like I Did Back“, das mit viel Energie und Leidenschaft vorgetragen wird.

Generell merkt man JP Hoe seine Spielfreude in jedem der 11 Titel auf „Hideaway“ an. Vor allem dann, wenn es aus den schönen erzählerischen Strophen in den heroischen, mit viel Inbrunst vorgetragenen Refrain mündet, scheint er sich am wohlsten zu fühlen. Das fängt in der herrlich altmodischen Americana-Liebeserklärung „Beautifully Crazy“ an, die sicher nicht von ungefähr als erste Single ausgewählt wurde, geht über das wehmütige, aber sehr intenstive "Save You" und hört beim kurzen, aber umso energischen „My Silhouette“ auf.

Eigentlich passiert auf „Hideaway“ nicht viel, was man nicht auch auf anderen amerikanischen Songwriter-Album erwarten würde. JP Hoe bekommt es aber hin, seine Begeisterung an der Musik in jeden einzelnen gesungenen Ton hineinzulegen und schafft es so, dass manchmal etwas stereotype Songwriting auszublenden. Einige Songs hätten eine so tiefgehende Bedeutung für ihn, dass er sich beim Spielen komplett in ihnen verlieren würde, sagt er selbst über die Stücke auf „Hideway“. Dass das keine hohle Phrase ist, hört man dem Album auf jeden Fall in jeder Sekunde an.

Den Ohrenöffner gab es in reiner Hörform bereits in den Kurzvorstellungen, jetzt und hier soll die Bebilderung unterstützen: 


Mittwoch, 4. November 2015

Scheunenfunde: Jonas Carping - Cocktails & Gasoline



Jonas Carping – Cocktails & Gasoline

Aus dem Fenster.

Vor geraumer Zeit durfte ich mich über eine leicht schüchterne Anfrage freuen, in der ein gewisser Jonas Carping fragte, ob ich mich nicht ein paar Minuten seiner ersten EP widmen wollen würde und ein paar Zeilen dazu verfassen wolle. Damals sind es in der Tat nur ein paar wenige Worte geworden, doch vor allem „Underground“ und Sideways“ lassen mich bis heute vor Wonne bis ins Mark erschauen. Das nachfolgende erste Album „All The Time In The World“ hielt den Erwartungen mehr als Stand und so war ich um so fröhlicher als mich Anfang Oktober (immerhin schon vier Wochen her, von daher ein guter Grund für einen Scheunenfund) erneut eine Mail erreichte: „Cocktails & Gasoline“ ist fertig.

Die Musik des schwedischen Songwriters lebt vor allem von seiner Stimmfarbe. Dunkel timbriert, aber nie zu rotweinschwer, angerauht, aber nicht kratzig, mit Inbrunst vorgetragen, aber nie pathosgeschwängert. Das hat sich auch auf „Cocktails & Gasoline“ kaum geändert, vielmehr scheint Carping seine eigene Klangpalette intensiviert und aufgefächert zu haben und bietet deutlich abwechslungsreiche Schattierungen an. Der Sound der Instrumente hingegen hat immens an Kraft gewonnen und auch die Intensität und Lautstärke verdichten sich auf Carpings Zweitwerk konsequenter zu einem energischen Vortrag. Stürmen hier vor allem die schnellen Americana-Stücke „The Last Approval“ und das fulminant aufspielende „Higher Ground“ mutig voran, lassen sich dennoch ruhige, ja beinahe kontemplative Passagen ausmachen. „You Move In A Different Way“ zum Beispiel, das Carping zur weichen Gitarrenakkorden intoniert und in mattierenden Farben von einer beginnenden Entzweiung erzählt.

„Cocktails & Gasoline“ ist genau wie das Vorgängeralbum durchzogen von sentimentalen Stimmungsfäden, die aber durch den lebendigen Vortrag, vor allem in den schnelleren Stücken immer wieder aufgebrochen werden. „Down To The Water“ klingt wie ein längst vergessener Sommernachts-Folksong, Carping singt mit seiner Duettpartnerin Sigrid Nilsson vor tänzelnden Streichern und schmeichelnder Percussion und erschafft Bilder von bittersüßen Sehnsuchtsmomenten. Während er bei „Dive“ zuvor noch mal mit Dynamik und Tempo spielt und mit „Sleepless Nights Blues“ ihm sehr gut zu Gesicht stehende fast schon archaische Bluestugenden heraufbeschwört, lässt er schließlich das Album in den Titelsong münden, der so sehr Pub-Singalong ist, das ein Frank Turner vor Neid fast zerspringen müsste.

„Cocktails & Gasoline“ ist ein überzeugendes zweites Album geworden, das nach leidenschaftlichem Musikmachen klingt. Carping erfindet nichts Neues, setzt sich aber mit seiner herausragenden Stimme deutlich von artverwandten Kollegen ab. Gerade in den zurückgenommenen Teilen kann man den Entstehunngsprozess in einer verlassenen Waldhütte nachvollziehen und blickt mit Spannung aus deren Fenster auf die Welt. Jonas Carping blickt einem dabei über die Schulter und singt aus vollem Herzen den entsprechenden Soundtrack. 



Montag, 26. Oktober 2015

My (monthly) Mixtape 2015/10



Und wieder geht ein Jahr. Es ist immerhin schon Herbst, nicht wahr? So langsam merkt man dann doch die den Körper umschleichenden kalten Winde und sieht  den hintereinanderher jagenden bunten Blätter zu. Im Oktober wird's somit ein wenig besinnlicher als sonst und vor allem im hinteren Teil des Bänkelsängermixtapes werden eher ruhige Töne angeschlagen. Zuvorderst stehen aber sarkastische und/oder kunstvolle Pop- und R'n'B-Varianten, schummrige Spätsommermusik und Line-Dance-Songwriting. Ach und der Folk kommt dieses Mal auch nicht zu kurz:

    01. John Grant - Disappointing (feat. Tracey Thorn)   
    02. Autre Ne Veut - World War Pt. 2   
    03. Editors - Life is a fear   
    04. Majical Cloudz - Silver Car Crash   
    05. EL VY - I'm the Man to Be   
    06. Joanna Newsom - Leaving the City   
    07. Lana Del Rey - Salvatore   
    08. Findlay Brown - Ride into the Sun   
    09. Protomartyr - Why Does It Shake   
    10. Jonas Carping - Higher Ground   
    11. Tom Liwa mit Flowerpornoes - Federkleid   
    12. Josh Ritter - Getting Ready To Get Down   
    13. Wanda - Meine Beiden Schwestern   
    14. Susan James - Poseidon's Daughter   
    15. Daniel Martin Moore - Golden Age   
    16. Ben Weaver - Black Horse   
    17. Monk Parker - Sadly Yes   
    18. Glen Hansard - McCormack's Wall   


...und als Ohrenöffner gibt es das vielleicht geschmäckerspaltendste Video des Jahres:



Montag, 19. Oktober 2015

Federal Lights



Von den kleinen Dingen.

Indiefolk hat auf dem Bänkelsänger zuletzt fast ein Nischendasein gefristet. Das lag weniger daran, dass derzeit kaum Besprechenswertes veröffentlicht wurde, sondern vielmehr an der Öffnung des Blogs für fast schon zu viele andere Nischen.

Mit Federal Lights, die ich in Kurzform bereits vor ein paar Wochen aufs Korn genommen habe drängt jetzt allerdings eine Band ans Licht, die mit „Coeur De Lion“ ein herzensschönes Album voller strahlender Indiefolkmomente hervorgebracht hat. Jean-Guy Roy heißt deren Frontmann und hat eine vollmundige, nach Kerzenwachs und Rotwein duftende Stimme, die wie geschaffen ist für die schattierten Abendstunden des Herbstes. Die Band oszilliert dabei vom hellen Tagesanbruch in die Nacht hinein und wechselt stöndig die Seiten. Ganz den Titeln entsprechend schummert sich „Dark Of The Night“ beinahe an das tieftönende Timbre des The National-Frontmanns Matt Berninger heran, während „Then Came The Light“ die zarten Melodieknospen der artverwandten Frühwerke von Noah & The Whale aufgreift.

Die kanadische Band schafft es hier eine immense Bandbreite aufzurufen und es sich trotzdem in ihrem in Teilen durchaus popaffinen Folkkosmos gemütlich zu machen. Dafür sorgen auch mal verführerische Balladen wie das wunderschöne „Amelia“, dessen behutsame Pianotupfer einen hellen Kontrast zu Roys zitterndem Bariton liefern oder das langsam verschleppte "Ctrl.Alt.Delete" Harmonischer Zwiegesang prägt hier wie auch häufiger auf dem Rest des Albums die Refrains, wobei zum Beispiel im  Titelsong mal die Rollen getauscht werden und sich der liebliche Sopran Jodi Roys deutlicher in den Vordergrund spielt.

„Coeur De Lion“ ist eines dieser kleinen, aber feinen Folk/Popalben geworden, die sich nicht nur melodisch wie eine kostbare Miniatur vor dem Hörer präsentieren. Auch die sehr alltäglichen Themen die Roy und seine Mitstreiter besingen, werden eher fein ziseliert, dargeboten, und selbst das vermeintlich kraftvolle „Lie To Me“ besitzt kleine filigrane Klangmuster, die vor allem an den Ecken und Enden des Songs für das gewisse Etwas sorgen.

Freitag, 9. Oktober 2015

Lauschbilder: Adam Angst

Mal wieder eher Bild als Bilder, aber erstens großartig umgesetzt, zweitens musikalisch ein sehr ansprechender Grenzgänger und drittens ziemlich wichtig. Also das Video. Und der Text. Also alles. 
Adam Angst singt "Splitter Von Granaten" und macht sich gute und schlechte Gedanken, die man sich einfach mal durch den Kopf gehen lassen und das Gesehene nicht einfach kurz danach vergessen sollte. 


Und wer die visualisierte Version nur ein bisschen mag, darf dann gerne hier zugreifen, denn der Erlös wird komplett für Pro Asyl gespendet.

Mittwoch, 30. September 2015

Hitparade 2015 - Vol. 3



Das vielerorts (zumeist künstlich) heraufbeschworene Sommerloch bringt eine ganze Reihe an Veränderungen in des Bänkelsängers' Hitparade; nicht nur auf den hinteren Plätzen, es hat sogar zu einer neuen Nummer Eins gereicht:

01  Destroyer – Poison Season
02  Daniel Knox – Daniel Knox
03  Julia Holter – Have You In My Wilderness
04  Roomful Of Teeth – Render
05  Circuit Des Yeux – In Plain Speech
06  The Decemberists – What A Terrible World , What A Beautiful World
07  Sarah Kirkland Snider – Unremembered
08  Father John Misty – I Love You, Honeybear
09  Susanne Sundfør – Ten Love Songs
10  Chelsea Wolfe – Abyss
11  Algiers – Algiers
12  Tocotronic – Tocotronic (das rote Album)
13  The Mountain Goats – Beat The Champ
14  Ryley Walker – Primrose Green
15  Matthew E. White – Fresh Blood
16  Marlon Williams – Marlon Williams
17  Binoculers – Adapted To Both Shade And Sun
18  Sufjan Stevens – Carrie & Lowell
19  Jessica Pratt – On Your Own Love Again
20  Trembling Bells – The Sovereign Self
21  Brandon Flowers – The Desired Effect
22  Myrkur – M
23  Scott Matthew – This Here Defeat
24  Dagobert – Dagobert
25  My Morning Jacket – The Waterfall
26  Samantha Crain – Under Branch & Thorn & Tree
27  Noah Gundersen – Carry The Ghost
28  Natalie Prass – Natalie Prass
29  Nadja Stoller - Earthbound
30  Richard Thompson – Still

Die Songs des Quartals finden sich wie immer in großer Zahl bereits auf den Alben des bisherigen Jahres, doch sollen auch diejenigen nicht unerwähnt bleiben, die es noch nicht in die Hitparade geschafft haben, sei es nun mangels eines geeigneten Longplayers oder einfach nur deshalb, weil das zugehörige Album noch nicht veröffentlicht wurde oder weil außer dem erwähnten Hit der Rest des zugehörigen Werkes von gar nicht ganz so erlesener Güte ist:

John Grant (feat. Tracey Thorn - Disappointing
Majical Cloudz - Silver Car Crash
Low - What Part Of Me
Robert Sarazin Blake - Our Winter In New York
Beirut - August Holland
Romano - Der Schöne General
Federal Lights - Amelia
Keston Cobblers Club - Wildfire
Nathaniel Rateliff & The Night Sweats - S.O.B.
Mas Ysa - Look Up

....und da es keine Hitparade ohne Ohrenöffner geben sollte, entscheide ich mich dieses Mal hierfür:



und hierfür:





Dienstag, 29. September 2015

Vögel Die Erde Essen



Vögel Die Erde Essen – Besuch Von Innen

Uff!

Hatte ich nicht erst gestern davon gesprochen, dass es in den letzten Monaten auch immer mal wieder Grenzgänger schaffen, sich in den Bänkelsänger-Kanon zu integrieren. Doch bis wohin reicht dieser Kanon überhaupt auf? Ziemlich folkfremd und countryentfernt agieren dieses Mal Vögel DieErde Essen, und wieder einmal ist es Kreismusik, die nach WÆLDER früher im Jahr wieder deutliche Meter zwischen die ursprüngliche Sprechgesangorientierung und diese neueste Veröffentlichung legen.

Musikalisch ist „Besuch Von Innen“ ein Kongglomerat aus Freiheit und Wagemut, aus Konzept und Improvisation, aus Geräusch und Wohlklang. Über neun Songs hinweg machen Moritz Bossmann, Jan Preissler und Oli Friedrich die Musik, die ihnen spürbar aus dem Rückenmark direkt in die Finger und Stimmbänder zu fließen scheint. Das ist Punk, das ist Krautrock, das ist Noise, doch da sind auch hymnisch-hypnotische Popmelodien, die wie in „Froschmann“ skizziert: „alle Humanoiden zum Tanzen zwingen“. Es ist der schmale Grat, den die Vögel die Erde Essen überwinden, weder rudern sie zu stark mit den Armen um einen der neun Songs komplett aus dem Kontext herausstechen zu lassen, noch lassen sie den Lärm und das Geräusch überhand nehmen, um der Grundmusikalität Einhalt zu gebieten.

„Das Lied schläft in der Maschine“ stellten bereits die Einstürzenden Neubauten auf „NNNAAAMMM“ vom Album „Ende Neu“ fest und zuweilen scheinen Vögel die Erde Essen genau dieses Mantra zu beherzigen. Die immerwährende Abwärtsspirale des „Fahrstuhl Nach Unten“ mit den blubbernden Bass- und den mahlenden Gitarrenfiguren wagen sich tief unter die Erde, bis der süßliche Gesang eine beinahe zärtliche Melodie als verbindendes Element auffährt. Doch schon kurze Zeit später entsteigen die drei dem Gefährt und lassen das Klanggewitter von vorne beginnen.

Jeder Song auf „Besuch Von Innen“ wirkt gleichzeitig improvisiert und konzeptioniert. Nicht nur beim langen „Fahrstuhl nach Unten“ wird das deutlich, auch das deutlich zuapackendere „Picknick am Abgrund“, dass einem gleich zu Beginn einen regelrechten Nackenschlag verpasst oder das herrlich betitelte „Gotischer Sakralbau“ verfügen über diese Zwiespältigkeit. Zuweilen verlieren sich die Musiker aber dabei ein wenig zu sehr in ihrer Liebe zum Instrument, was vor allem bei „Zwei Helikopter“ und dessen eher ziellosen Schluss auffällt. Dem wiederum gegenüber steht die Volksliedvertonung (und da haben wird dann doch noch einen finalen Bänkelsängerbezug!) „Lass Rauschen“ aus „Des Knaben Wunderhorn“, der das Kleid aus rhythmischer Gewalt und breiten Instrumentalflächen gut zu Gesicht steht.

Hatte ich zu Beginn Uff! Gesagt? Es scheint fast so, als schlügen nicht nur zwei Herzen in der Brust der Vögel die Erde Essen. Denn schien das kantige Gemisch aus Gegensätzen zunächst nur schwer verdaulich, verbirgt sich unter dem Lärm doch ein beruhigend zugängliches Debütalbum, dass gerade daraus seine Stärke zieht. 




...und ein paar Live-Termine gibt's obendrein:

29.09.2015 - Hamburg - Übel und Gefährlich
30.09.2015 - Kiel - Schaubude
02.10.2015 - Helmbrechts - Betore Festival
18.10.2015 - Berlin - Monarch
19.10.2015 - Bernburg - Hotel Wien
21.10.2015 - Göttingen - tba
20.10.2015 - Dresden - Groovestation
22.10.2015 - Nürnberg - Club Stereo
23.10.2015 - Waidhofen - Ybbs (AT)
24.10.2015 - Schaffhausen - Tap Tab (CH)
26.10.2015 - Zürich - Dynamo (CH)
29.10.2015 - Freiburg - White Rabbit
30.10.2015 - Münster - Gleis 22

Montag, 28. September 2015

My (monthly) Mixtape 2015/9



Dieses Jahr ist echt eine Wundertüte, was den musikalischen Horizont des Bänkelsängers angeht. Sicherlich, auch 2015 überwiegen folkige und countryeske Töne, doch gerade auf den Mixtapes versammeln sich nach wie vor Klangfarben, die entweder an den Randbereichen entlangschleichen oder dem normalerweise vorherrschenden Kosmos diametral gegenüber stehen. So auch die Septemberzusammenstellung, die es gerade noch in der letzten halben Woche zur Kompilation gebracht hat. Zu den einzelnen Interpreten lässt sich dieses Mal nur so viel sagen: Viel bunter geht es nicht, und hätte mir Anfang des Jahres jemand gesagt, ich packe einen goldbezopften Berliner Schlager-Rapper mit Metal im Hinterkopf gemeinsam mit durchkomponierten Erinnerungskunstliedern und bärbeißigem Düsterpostpunk auf nur eine einzige Zusammenstellung, ich hätte ihm wohl einen Vogel gezeigt. Doch nun zu den Delinquenten: 


    01. JP Hoe - Beautifully Crazy   
    02. Joan Shelley - Brighter Than The Blues   
    03. Evening Hymns - Evil Forces   
    04. Fay Wildhagen - Fire on the Mountain   
    05. The School - Love Is Anywhere You Find It   
    06. Stereophonics - C est La Vie   
    07. Blank Realm - River of Longing   
    08. Romano - Köpenick   
    08. The Libertines - Fame and Fortune   
    10. Autobahn - Impressionist   
    11. Frankie & The Heartstrings - Berlin Calls   
    12. The View - House of Queue's   
    13. Youth Lagoon - The Knower   
    14. Low - What Part of Me   
    15. Robert Sarazin Blake - Our Winter in New York   
    16. Beirut - August Holland   
    17. Van Morrison - Moondance   
    18. Isbells - I Don't Need Any Colour   
    19. Julia Holter - Everytime Boots   
    20. Sarah Kirkland Snider - The Speakers   

Und wenn man schon mal von ihm spricht, sollte er auch zu Wort kommen (und ja, dass ist mein Ernst):


Doch alle die ich damit verschrecken könnte, lauschen hier bitte weiter:


Mittwoch, 9. September 2015

Aufgemerkt: Die Goldenen Zitronen - "Fan Without Fan"







Premierenfeier auf dem Bänkelsänger und das mit solch illustrem Gastgeber.


Der heißt nämlich Die Goldenen Zitronen und veröffentlicht  am 18.09.2015 sein Reenactment-Album "Flogging A Dead Frog" via Altin Village & Mine. Die Neubearbeitung einzelner ausgewählter Stücke der letzten drei Alben beeinhaltet neben dem bereits kürzlich veröffentlichten "If I Were A Sneaker", das in seiner anglifizierten Version eine deutlich andere Wirkung erzielt, auch die heute präsentierbare Single "Fan Without Fan", die nahtlos, aber dennoch überraschend direkt an das letzte reguläre Album "Who's Bad" und dessen Abschlußakkord "Wer hier" anschließt. Wer jetzt nach dem bänkelsängerischen Moment fragt, lasse sich erst einmal ein auf die instrumentale Essenz des Stücks ein, dass erst am Schluss sein wahres Gesicht und seine feine Kontextualisierung preis gibt.


Wem das jetzt noch nicht reicht, lausche dem Neo-Evergreen "IF I Were A Sneaker" in seiner neuen, deutlich zwingenderen Form:

 

Montag, 31. August 2015

Im Schnelldurchlauf: Songwriter aus aller Herren Länder



Veröffentlichungsfluten. Gerade jetzt im Spätsommer, wo viele Künstlerinnen und Künstler ihr im Herbst anstehendes Album in den Fokus rücken wollen, ist die Auswahl an eintrudelnden Promoanfragen schier unergründlich. Sich hier die Favoriten herauszupicken, ist nicht immer einfach, doch je größer sich das Angebot gestaltet, desto eher macht sich der geneigte Rezensent ans Werk um zumindest den passendsten, spannendsten oder ungewöhnlichsten Anschreiben ein paar Zeilen zu widmen. Dieses Mal passiert das mal wieder im Schnelldurchlauf, der trotzdem mit entsprechender Sorgfalt und dem nötigen Enthusiasmus kompiliert wurde.

Machen wir den Anfang mit Eric Fastén, der seine neue EP "Brand New Fashion" am 08.09.2015  unter das Volk bringen wird. Die neue Single "Overwhelmed" ist skandinavischer Songwriter-Pop der besten Sorte, leises Fingerpicking legt sich bestimmt um die schmeichelnde Stimme, der alsband eine Sängerin anhand gestellt wird, bevor sich sachte Streicher und eine dezente, aber nichtsdestotrotz stimmungsvolle Rhythmik zu Wort meldet.


Handclaps und Glockenspiel, dazu süßliches Stimmengemisch, das mal nach Belle & Sebastian, mal nach Slow Club, aber immer nach ganz viel Sonne klingt, kommt von Federal Lights aus Kanada deren zweites Album "Coeur De Lion" am 18.09.2015 erscheint. Wenn neben dem Vorboten vom ersten Album "We Were Found In The Fog", der den schönen Titel "I See Love" trägt, alles so unbedingt nach Weltumarmungsfolkpop klingt, der sich aber auch einmal die Träne im Knopfloch trägt, könnte das eine feine Sommerverlängerung werden.


Gemeinsam mit Federal Lights im September unterwegs ist JP Hoe, der seine Songwriterfantasien mal zurückgenommen, aber meistens mit ungeheuerer Inbrunst zum Besten gibt. "Beautifully Crazy" erinnert an Ryan Bingham, was sicherlich nicht die schlechteste Referenz ist und neugierig auf das später im September erscheinende Album "Hideaway" macht.

Und wer mag sollte sich für Federal Lights und JP Hoe hier einen Platz reservieren:

21.09.15 - Oberhausen - Druckluft
22.09.15 - Berlin-  Auster Club
23.09.15 - Dresden - Bärenzwinger
25.09.15 - Hamburg - Reeperbahn Festival
26.09.15 - Saarn - Raumfahrtzentrum Saarner Kuppe
27.09.15 - Norderstedt - Musicstar
29.09.15 - Köln - Blue Shell
30.09.15 - Aachen - Musikbunker


And now to something completely different: Spoken-Word-Poetry über schluderig sympathische Popmelodien, die sich laut Pressetext weit weg vom Rest des eigentlich Outputs bewegen soll. Neufundland veröffentlichen ihre selbstbetitelte EP am 04.09.2015 und haben dem ersten Ohrenöffner "Rückenwind Pt. II" ein schurfend schönes Video spendiert:





Sonntag, 30. August 2015

Aufgemerkt: Lilly Among Clouds



Pop. Pop. Pop. Pop.

Lilly Brüchner alias Lilly Among Clouds macht Popmusik. Nicht mehr, nicht weniger. Das Selbstverständnis, dass ihrer ersten selbstbetitelten EP innewohnt, ist dabei aber von einer außerordentlichen Qualität. Stimmlich bewegt sich die gebürtige Würzburgerin nicht weit weg von von der aktuellen Singer/Songwriterinnen-Mode, schimmern je nach mal der abgetönte Alt einer Sharon van Etten, die überschlagenden Sopranspitzen einer Laura Marling oder sogar das sanfte Reiben von Angel Olsen durch die Songs. Allein der nicht immer stimmungssichere musikalische Hintergrund aus elektronischen Akzenten bedarf noch ein paar Kanten und Ecken. Besonders gut gelingt das im anschmiegsamen "Remember Me", dessen akustische Gitarrenakkorde und die turbulente Pianomelodie einen angemessenen Rahmen für die leichte Elektriziät in Beat und Rhythmus schaffen. Das abschließende  "Long Distance Relationship" wiederum kann sich hier nicht wirklich entscheiden, die Melodien schreien nach Charts, die Ausgestaltung nach Anspruch. Am besten gelingt dieser Spagat wiederum im eröffnenden "Keep", dass in dieser Form durchaus auch einer Natasha Khan alias Bat For Lashes aus der Feder geflossen wäre. "Lilly Among Clouds" ist Pop in vielen, zuweilen noch ausbaubaren Facetten, dem Herzblut, aber manchmal eben auch ein bisschen Kalkül anzumerken ist. Das das nicht weiter schlimm ist beweisen die Songs wie eben das alles überstrahlende "Remember Me", die den Vergleich mit denen anderer klaviergetriebener Künstlerinnen nicht scheuen muss. 

Live überzeuge man sich hier von den Qualitäten:

03.09.2015 Würzburg - Posthalle (Record Release-Konzert)
05.09.2015 Dresden The Sound of Bronkow Music Festival
17.09.2015 Erlangen - E-Werk
18.09.2015 Chemnitz - Atomino
19.09.2015 Magdeburg - Moritzhof
20.09.2015 Berlin - Monarch
21.09.2015 Hannover - Warenannahme
22.09.2015 Rostock - Helgas Stadtpalast
23.09.2015 Hamburg - Reeperbahn Festival
26.09.2015 Düsseldorf - FFT

Bildlich gibt es hier den Ohrenöffner:

 

Montag, 24. August 2015

My (monthly) Mixtape 2015/8



In ya face! So und nicht anders muss man Nathaniel Rateliffs Aufgalopp verstehen. Und das ist nur der Anfang eines Mixtapes, dass zwar zunächst tief in den unterschiedlichen Folk-, Country-, Rootsrock-, Americana- und Songwriterschubladen wühlt doch spätestens im letzten Drittel kommt der beständige Eklektizismus wieder vollends zum Tragen. Psychedelischer Experimental-Pop im 60s-Gewand, Neo-Folk-Noir im schwarzmetallenen Kleid, weit ausgestellter Sophisti-Pop und elektrisierndes Elektronikgewitter sind nur einige wenige Eckdaten der diesmonatigen Zusammenstellung:

01. Nathaniel Rateliff And The Night Sweats - S.O.B.   
02. Rayland Baxter - Oh My Captain   
03. Fred Abbott - Hollywood   
04. Frank Turner - Josephine   
05. Daniel Romano - Two Word Joe   
06. Bobby Long - Cold Hearted Lover Of Mine   
07. Gill Landry - Fennario   
08. Keston Cobblers Club - Wildfire   
09. Noah Gundersen - I Need a Woman       
10. Eleni Mandell - Cold Snap       
11. The Whistles & the Bells - Ghost Town       
12. Mark Rogers & Mary Byrne - First Fall Nights       
13. The Old Ceremony - Ghosts Of Ferriday       
14. The Maccabees - Kamakura       
15. Destroyer - Midnight Meet the Rain       
16. Chelsea Wolfe - Simple Death       
17. Deradoorian - Your Creator       
18. Myrkur - Byssan Lull       
19. Briana Marela - Follow It       
20. HEALTH - Stonefist   

Was bleibt mir anderes übrig, als wieder und wieder und wieder dieses geniale "S.O.B." zu posten. Jetzt dann eben als Ohrenöffner:

Nathaniel Rateliff & The Night Sweats - S.O.B. (Official Video) from Greg Barnes on Vimeo.


Mittwoch, 12. August 2015

Scheunenfunde: Mark Rogers & Mary Byrne



Zurück nach Innen. 

Trotz aller diesjährigen Regelmäßigkeit an Blogbeiträgen schafft es längst nicht alle angefragte und selbst entdeckte Musik auf den Bänkelsänger. Bereits Mitte Juli kam E-Mail-Post von Mark Rogers und Mary Byrne, mit der Bitte, sich doch das bereits im Oktober vergangenen Jahres veröffentliche Debütalbum vor den demnächst anstehenden Europa- und Deutschlandkonzerten einmal anzuhören und ihm vielleicht ein paar warme Worte an die Hand zu geben. Als dann dieser Tage auch noch ein physisches Exemplar im Briefkasten auftauchte, war Zugzwang angesagt, nicht dass es das Album ob seiner Güte bedurft hätte, aber unbändige Freude ob des hübschen Artworks und der netten Ankündigung kam trotzdem auf.

Doch nun zur Musik. Beide Musiker haben sich bereits in den vergangenen Jahren bei einigen mehr oder weniger bekannten amerikanischen Folkbands versucht, ehe sie 2013 die ersten gemeinsamen Schritte unternahmen. Mark ist Multiinstrumentalist und vagabundiert auf "I Line My Days Along Your Weight" an den Grenzen zwischen unbedingter Virtuosität und herzhaftem Akkordeinsatz entlang. Die Instrumentenwahl ist dabei so archaisch wie vielfältig, spielen doch Saitenklänge von Steel- und Resonator-Gitarren und antike Mandolinen genauso eine Rolle wie beläufige gesetzte Pianotupfen. Über diese mal sehsüchtelnden, mal intimen Melodiebögen erklingt die Stimme Mary Byrnes, die mal die Luftigkeit der Folkchanteusen der 60er-Jahre erreicht - nicht selten schimmert Sandy Denny von Ferne - aber sich auch vor zeitgenössischen Künstlerinnen wie Laura Marling oder Meg Baird nicht verstecken sollte. Dadurch erscheinen die Stücke auf "I Line My Days Along Your Weight" auch nicht rückwärtsgewandt, vielmehr strahlen sie vor zeitloser Anmutung und Tiefe. 

Im schmeichelnden "Green Gold Violet" etwa, wenn Rogers sein immerwährendes Folkpicking unterbricht um die Saiten entlangzuschlittern und damit den sonnendurchfluteten Gesang seiner Partnerin zu umgarnen. Mark Rogers Spiel erinnert dabei an John Martyn, immer wieder umweht die geschlagenen und gezupften, gestrichenen und gestreichelten Saiten eine luftige Wehmut, die sich aus vielen kleinen Miniaturen zusammenzusetzen scheint. Es sind die stillen Momente, die auf "I Line My Days Along Your Weight" überwiegen, und diese sind teilweise von solch zerbrechlicher Zartheit, dass man den Atem anhalten möchte, um nicht eine einzelne Nuance zu verpassen. Wenn Byrne dabei dann auch noch über intime Nähe singt, über Zweisamkeit und wahlweise dass sich gegenseitig Loslassen oder Wiederfinden können, kann dann schon ganz erheblich an die Nieren gehen. Doch trifft sie nicht immer nur die ganz schweren Themen wie bei "Sirens Call", denn das folgende "Cold Spring"  zeigt Stärke, Mut und Sehnsucht zugleich. Im Grunde liegt die Kraft des Albums aber auch genau in diesem Bruch aus den fein ziselierten Kompositionen und der bittersüßen Melancholie in Byrnes Texten.

Es wird ja bald Herbst, von daher darf man sich jetzt gerne einmummeln und den weisen Worten und den feinen Melodien der beiden Musiker aus Brooklyn lauschen, entweder direkt zu Hause, mit einem gehörigen Schuß Wohlfühlrotwein oder auf einem der ab September anstehenden Konzerte, die weiter unten aufgeführt sind. Aber ein Aufmerker darf natürlich nicht fehlen, hier ist "When Your Elders Are Tall":  


...und hier sind die noch nicht ganz vollständigen Konzerttermine:

11 Sept    Weimar, Kasseturm
12 Sept    Bad Bentheim, Altes Museum
14 Sept    Lübeck, Tonfink
15 Sept    Hamburg, Spielbudenplatz
16 Sept    Düsseldorf, Cafe Kwadrat
17 Sept    Münster, Fyal Central
18 Sept    Forst, Forster Hof
19 Sept    Leipzig, Tonelli's
20 Sept    Berlin, Alter Roter Löwe Rein
22 Sept    Schwerin, Angler II
23 Sept    Halle, Palais'S
24 Sept    Magdeburg, Blue Note Bar
25 Sept    (to be announced)
26 Sept    Bielefeld, C.ult Chambers Unlimited
27 Sept    Köln, Blue Shell


Mittwoch, 29. Juli 2015

My (monthly) Mixtape 2015/7



Auch kurz vor Julischluss ist es noch nicht zu spät für eine neue Mixtape-Vorstellung. Tummelten sich auf den vergangenen Ausgaben immer wieder vor allem bekannte Namen, sind heuer eher Künstler aus der zweiten Reihe zu finden, deren Oeuvre aber nicht minder empfehlenswert ist. Zum Beispiel das großartige "Dark Child" des hierzulande völlig unbekannten Australiers Marlon Williams oder die fabelhafte Robin Hood-Reminiszenz der Watkins Family Hour. Neben diesem eher klassischen Bänkelsängermaterial tummeln sich aber auch unter anderem relaxter Post-Indiepop von Mas Ysa, Bedroom-R'n'B à la Miguel und ambiente Waldschratereien von Forndom in der Liste. Hier ist das gute Stück in seiner vollen Gänze:

01. Ezra Furman - Restless Year
02. Miguel - Coffee
03. Cayucas - Dancing at the Blue Lagoon
04. Meg Baird - Counterfeiters
05. Samantha Crain - Outside The Pale
06. Watkins Family Hour - Not in Nottingham
07. Dean Owens - Dora
08. Fraser A. Gorman - Broken Hands
09. Andy Shauf - Jerry Was A Clerk
10. The Cairo Gang - Gangsters Holding Hands
11. William Fitzsimmons - Beacon
12. Forndom - När Alvkungens Rike Faller Samman
13. Richard Thompson - All Buttoned Up
14. Trembling Bells - Killing Time in London Fields
15. Sasha Siem - So Polite
16. Mas Ysa - Look Up
17. Marlon Williams - Dark Child
18. Sfir - (Der Geruch Von) Große Welt

...und hier darf gelauscht werden, wie Samantha Crains fabelhafte Akustikversion von "Outside The Pale" klingt:

 

Dienstag, 28. Juli 2015

Im Schnelldurchlauf: Heyward Howkins/Chet Delcampo



Beschleunigte Entschleunigung.

Vor drei Jahren im Sommer war's. Da hatte sich Heyward Howkins via freundlicher Anfrage an den Bänkelsänger gewandt und sein damaliges Album "The Hale & Hearty" vorstellen wollen. Folkmelodien, die so freundlich strahlen wie die Augustsonne und Countryklänge, denen auch ein wenig Melancholie aus dem Knopfloch troff. Damals hatte Chet Delcampo seine Finger als Produzent im Spiel und wie es der Zufall will, kommen beide jetzt im doppelten Doppelpack mit ähnlich sonnenverwöhntem Klangspektrum zurück.


Heyward Howkins zeigt sich auf seiner 7" deutlich popnäher als zuvor. Das muntere "Forecasting" funktioniert als federleichter Himmelguckbegleiter auf halbem Weg in Richtung John Martyn, der sich irgendwie zwischen Bienchen, Blümchen und dem süßen Nichtstun einfinden will. Das folgende "Midway" deutet ebenfalls raffiniertes Popverständnis an, ohne vollends in belangloser Eingängigkeit zu versinken. Zu "Midway" darf man somit auch mehr als einen Sommer lang schwelgen und tanzen.

 


Chet Delcampo färbt seine beiden Stücke ein wenig herbstlicher, was allein schon an seiner Stimmfarbe liegt, die mindestens drei Nuancen tiefer liegt. Auch legt er beiden Stücken ein wenig schmückendes Beiwerk anbei und gönnt ihnen neben den Backgroundvocals durch Rosie McNamara Jones ("Leading Her To Believe") und Amy Pickard und Erica Vanstone ("Drives Around The City") energisches und vollmundiges Gitarrenspiel sowie den ein oder anderen Streicherschlenker.


Alle vier Songs lassen sich via bandcamp in vollster Güte anhören und wer mag, sollte hier bedenkenlos zum Kauf genötigt fühlen. Audiovisuell hat zumindest Chet Delcampo einen Beitrag der vorgestllten Songs zu bieten, bei Heyward Howkins muss der Soundcloud-Behelf reichen:









Dienstag, 14. Juli 2015

Aufgemerkt: Sfir




Post-Punk-Eskapaden.


Es gibt noch nicht ganz so viel zu hören von Sfir, einer Berliner Band, die sich wie ein grauer Phönix über die Mauern der Stadt zu erheben scheint. Die erste EP "Große Welt" erscheint dieser Tage und mit ihr die namensgebende Single "(Der Geruch Von) Große Welt". Auf ihr verschmelzen Sprache und Struktur, von Sänger Max Stern mit ähnlich flüchtiger Nichtigkeit wie einstmals Ian Curtis in die rauchklare Nacht herausgespien. Dazu ein Mantel aus Lärm und Noise, zusammengehalten von knochentrockenem Schlagwerk, das mit infektiösem Drang nach Vorne drängt. Das meisterhafte Video, dass sich sichtlich an den monochromen Visionen eines Anton Corbijn orientiert, tut ein Übriges und so wird die aufrührende Tristesse zu einem Gesamtkunstwerk aus Bild, Text und Ton, das Lust auf ganz viel mehr macht.

 

Dienstag, 30. Juni 2015

Hitparade 2015 - Vol. 2



Seit den vergangenen drei Monaten haben es dann doch eine ganze Reihe von wahrscheinlichen Aspiranten tatsächlich in den zweiten Quartalsüberblick des Jahres geschafft, die Nummer Eins zu verdrängen war dann aber trotzdem knapp zu schwierig. Die Plätze hinter Daniel Knox haben dennoch den Wind zahlreicher Neuankömmlinge gespürt, allen voran den des wundervollen A Capella-Epos "Render" von A Roomful Of Teeth und den tieftönenden Kunstfolk auf "In Plain Speech" von Circuit Des Yeux.

01. Daniel Knox – Daniel Knox
02. Roomful Of Teeth – Render
03. Circuit Des Yeux – In Plain Speech
04. The Decemberists – What A Terrible World , What A Beautiful World
05. Father John Misty – I Love You, Honeybear
06. Susanne Sundfør – Ten Love Songs
07. Algiers – Algiers
08. Tocotronic – Tocotronic (das rote Album)
09. The Mountain Goats – Beat The Champ
10. Ryley Walker – Primrose Green
11. Matthew E. White – Fresh Blood
12. Binoculers – Adapted To Both Shade And Sun
13. Sufjan Stevens – Carrie & Lowell
14. Jessica Pratt – On Your Own Love Again
15. Brandown Flowers – The Desired Effect
16. Scott Matthew – This Here Defeat
17. Dagobert – Dagobert
18. My Morning Jacket – The Waterfall
19. Natalie Prass – Natalie Prass
20. Nadja Stoller - Earthbound

Bei den Songs haben sich vor allem die Lieblinge auf den bereits erwähnten Alben hervorgetan, doch auch darüber hinaus haben einige Exemplare in diesem Quartal häufiger den Weg gen Ohrmuschel erreicht und den Zustand beseelten Zuhörens, beschwingten Mitwippens oder im besten Fall freudvollen Mitsingens erreicht.

Hier sind einige der empfehlenswerten Delinquenten (die 10 aus dem ersten Quartal gelten weiterhin): 

John Joseph Brill - Pieces
The Dropout Patrol - Beautiful Noise
Scout Paré-Phillips - Coldest Blue
Home Blitz - Betton Hill
San Fermin - Woman In Red
Villagers - Hot Scary Summer
Isolation Berlin - Prinzessin Borderline
Jenny Hval - That Battle Is Over
Yowler - Water
The Deslondes - Fought The Blues And Won

Was wäre eine Hitparade ohne Ohrenöffner, der dieses Mal trotz aller musikalischer Güte sicher nicht vor aller Ohren Gnade finden wird:

 

Montag, 29. Juni 2015

Im Schnelldurchlauf: Folkvariationen



Bei solch einer Hitze ist die Aufmerksamkeitsspanne ja erfahrungsgemäß eher kurz, von daher lag ein "Schnelldurchlauf" nahe, um ein paar zuletzt gehörten Alben, die sonst vielleicht durchs Raster gefallen wären, doch noch den gebührenden Rahmen angedeihen zu lassen. 

Kathryn Williams - Hypoxia

Nicht nur die gespenstisch schimmernde Produktion ihres Freundes Ed Harcourt oder der Bezug auf Sylvia Plaths "The Bell Jar" machen "Hypoxia" von Kathryn Williams zu einem sehr hörenswerten Album. Es ist vielmehr das Zusammenspiel aus Atmosphäre und Klang, das die zumeist eher kurzen Songs zu kleinen Kostbarkeiten werden lässt. Das fängt bei "Electric" einem sehr sanften, aber dennoch eindringlichen Seelenstreichler an und führt über das lautmalerische und von Harcourt geschriebene "Cuckoo" hin zum "Tango With Marco", der sich fast schon aufreizend elegant in Szene zu setzten vermag. 




The Deslondes - The Deslondes

Über Facebook bereits kurz angerissen, ist das selbst betitelte Album von The Deslondes auch in Gänze ein kurzweiliges Vergnügen. Immer mit einem leicht verblichenen Antikschleier behaftet, drängeln sich die zwölf Stücke, die Roots-Rock, Americana, Honkytonk und Western-Swing im Blut haben, ganz schön ins Rampenlicht. Von der ersten Single "Fought The Blues And Won", die irgendwo in der Schnittmenge von Pokey LaFarge und C.W. Stoneking zu liegen scheint bis hin zu Herzschmerz-Szenarien wie dem wunderschönen "Louise" entwickelt sich auf "The Deslondes" das via New West Records erschienen ist, ein ziemlich einzigartiges und wahrlich historisches Musikdiorama.



Nadja Stoller - Earthbound 

Einnehmende Klavierakkorde eröffnen "Earthbound", das neue Album Nadja Stollers, das bereits im Mai diesen Jahres das Licht der Welt erblickte. Wie ein ruhiger, nicht immer völlig gelassen scheinender Fluß gleiten die zehn Kompostionen durch verwegen schimmerndes Zwielicht und münden nicht selten nach anfänglichem Scherenschlag doch wieder zusammen. Windschiefe, von Ferne tönende Flöten, nervöses Pizzicato und dazu eine unnachahmliche Stimme die von Joanna Newsom über Sharon Van Etten bis hin zu den Casidy-Schwestern viele Facetten darstellen kann machen "Earthbound" zu einem entdeckungsreichen und vielfältigen Zweitwerk.
 


Astral Swans - All My Favourite Singers Are Willie Nelson

Lo-Fi-Folk, dem ein wenig Psychedelic als Farbtupfer beigemischt wurde, der aber gleichermaßen auch ein paar Spritzer Jangle-Pop abbekommen hat, kommt aus Kanada, genauer gesagt aus Calgary und wird von Matthew Swann alias Astral Swans auf dessen Debütalbum "All My Favourite Singers Are Willie Nelson" zum besten gegeben. Die Einflüsse scheinen vielfältig, schielen doch so unterschiedliche Musiker wie Daniel Johnston, Nick Drake oder Dan Mangan um die Ecke und machen das Album bunt wie eine Patchworkdecke. 



Dienstag, 23. Juni 2015

My (monthly) Mixtape 2015/6



Der Juni ist noch 'ne knappe Woche alt, Zeit für das sechste Mixtape des inzwischen ziemlich abwechslungsreichen Musikjahres. Wie auch auf den früheren Ausgaben ist die Auswahl eklektisch, die Stimmungen überzeugen durch Variantenreichtum und auch die Anzahl an Neuvorstellungen und alten Bekannten hält sich beinahe die Waage, so dass dieses Mal eine ausgesprochen ausgewogene Mischung für Hörvergnügen sorgen darf. Fängt es zunächst durchaus wüst an, streift das Mixtape dieses Mal tonale Abgründe und ist trotzdem von vielfältigem Melodienreichtum durchzogen. Vielleicht tanzt man bei einen Refrains nur einen Sommer, dafür dann aber umso heftiger. Und so buhlen nicht nur der edle Cocktail-Pop (der allerdings auf dessen aktuellem Album die Ausnahme bildet) Daughn Gibsons, der Bombastschmelz Brandon Flowers oder die androgyne Unterkühlheit von Circuit Des Yeux um unser aller Gunst, auch der Rest überzeugt und -rascht vollends.

01. Desaparecidos - Golden Parachutes
02. Home Blitz - Betton Hill
03. Astral Swans - Beginning of the End
04. The Wooden Sky - When The Day Is Fresh And The Light Is New
05. Algiers - Black Eunuch
06. Die Zikaden - Ach komm, das ist doch so 19. Jahrhundert
07. The Deslondes - Fought the Blues and Won
08. Barna Howard - Indiana Rose
09. Prinzhorn Dance School - Reign
10. Brandon Flowers - Can't Deny My Love
11. Daughn Gibson - Shatter You Through
12. Christopher Owens - Music Of My Heart
13. Lone Wolf - Crimes
14. Circuit Des Yeux - Fantasize the Scene
15. Nadja Stoller - Little Dead Bird
16. Kathryn Williams - Tango with Marco
17. Jenny Hval - Sabbath
18. The Milk Carton Kids - The City of Our Lady
19. The Weather Station - I Could Only Stand By
20. Dawes - All Your Favorite Bands
21. Of Monsters And Men - Wolves Without Teeth

Der Ohrenöffner sollte ein anderer sein, doch zwingen mich die Veröffentlichungsmöglichkeiten zu einem anderen, jedoch nicht minder lauschenswerten Beispiel:

 


Montag, 22. Juni 2015

Aufgemerkt: Binoculers



Was es ist.

Binoculers ziehen die Kreise größer. Nicht nur, dass Nadja Rüdebusch sich mittlerweile mit Daniel Gädicke zusammengefunden hat und somit zur Band geworden ist, auch der Sound hat sich seit dem letzten Album „There Is Not Enough Space In TheDark“ deutlich erweitert. Manierliche, meist zwischen Tag- und Nachtgleiche oszillierende Folk-Pop-Songs waren es damals, deren Aufmerksamkeitsspanne aber dann doch eher kurz oder aber sehr unmittelbar zu sein schien. Auf „Adapted To Both Shade And Sun“ , dass dieser Tage via Insular erscheinen ist, nehmen sich Rüdebusch und Gädicke erheblich mehr Zeit, um ihre Klangvorstellung zu entwickeln.

Das führt zunächst erst einmal dazu, dass sich Stücke wie das geheimnisvolle, in bleiches Mondlicht getauchte „Moonbeams“ nur noch in einzelnen Passagen an kontemporäreren Folkstücken orientieren. Vielmehr bedienen sich die beiden an schwebenden Shoegaze-Pop, der breiter, flächiger und vor allem weicher scheint als bisher. Knisterte zuvor ein Kaminfeuer, vor dass man sich zu den anheimelnden Songs zurückziehen konnte, scheint einem jetzt der besternte Himmel entgegen, der Licht andeutet und verspricht, aber dann doch im Dunkeln tappen lässt.

Tupfer an Tasten und Gitarre verheißen lichte Reflexe, die nachdenklich machen ohne den Zeigefinger zu heben. So treiben sie Menschen gedanklich voneinander weg wie im intimen „Shine And Then Gone“ oder gar über die Grenzen des Vorstellbaren hinaus wie im darauf folgenden „Agravic“ dass mit seiner gemächlichen Gitarrenfigur sanft den Boden unter der Füßen verlieren lässt. Rüdebusch verzagt dabei nicht mit ihrer Stimme, vielmehr malt sie mit ihr in sanften Farben Empfindungen zwischen die Akkorde, die Wohlklang verheißen. Doch dieser Wohlklang scheut Binoculers eben nicht, auch die Schattenseiten des Lebens zu beleuchten.

Im sich nach allen Seiten streckenden „Bow And Arrow“ etwa, dem das dunkle und immer leicht flüchtige Timbre den Zweifel vergessen lassen macht oder gleich zu Beginn bei „Repeller Boat“, welches sich nah an den Dream Pop der frühen Beach House-Alben anschmiegt und die eigentlich eher düstere Thematik von der sich verflüchtigenden Magie eines Anfangs in schmeichelnde Töne hüllt. So fügen sich auf „Adapted To Both Shade And Sun“ Text und Ton zu einem halbdunklen Schattenwesen zusammen, dessen Worte so realitätsnah wie möglich und die dazugehörige Vertonung von eher zaubrischem Wesen ist. Dass sie dabei den Klang ihrer Stücke so weit erweitern, wie die konzentrischen Kreise eines über das Wasser gleitenden Steins erzeugt eine größtmögliche Annäherung. Teilweise so nah, dass sich die Wellen überschlagen, vereinen und zu einem wunderbaren Zusammenklang werden. 

Mittwoch, 20. Mai 2015

Aufgemerkt: Sophia & Beni



Wie ein Wiedersehen mit alten Freunden.

Anfang 2012 hatte ich bereits auf das nach wie vor sehr stimmige Album des Liedermachers Beni Feldmann hingewiesen. Nachdem ich seinem abwechslungsreichen Gebräu aus klassischen Volksweisen und zeitgenössischer Liedermacherei danach auch live lauschen und dabei feststellen durfte, dass er numehr in trauter Zweisamkeit gemeinsam mit Sophia Spöler unter dem Namen Sophia & Beni musiziert, gibt es nun Nachschub.

Jetzt liegt deren erstes Album "Friedensstrasse" vor und dieses setzt genau da an, wo "Ich schreibe einfach einen Song" aufhört. 12 Songs, die gleichsam auf der Straße, am Lagerfeuer, im Konzertsaal oder in den Fußgängerzonen und Wohnzimmern dieser Welt funktionieren. Sophia & Beni schleichen sich dabei wie vertraute Freunde an das Ohr des Hörers und nehmen ihn mit auf eine Reise, die unter anderem deutsches und irisches (Volks-)Liedgut streift und sowohl instrumental als auch durch die Dreisprachigkeit einige Überraschungen bereit hält.

Gab es auf Benis Debüt noch einige sprachliche Stolperer, fallen dieses Mal vor allem die anglophilen Stücke positiv auf, deutlich voran das federleicht wippende "Dance, Darling", dass der besten und schönsten Wirtin Münsters gewidmet sein soll und, hört man den zärtlichen Ton in der Stimme des Sängers und die sanft vor sich hintänzelnde Geige von Sophia, die zum Stelldichein bittet, scheint da nicht nur ein Körnchen Wahrheit im Ursprung zu liegen. Doch auch das vor allem von Sophia gesungene und von Leo Moran von den Saw Doctors geschriebene "Clare Island" weiß durch eine feine Nuancierung zu überzeugen. Vor allem dann, wenn beide Musiker zusammen singen, entpuppt sich das gesamte Potential des Duos, deren Kunstfertigkeit aber trotzdem vor allem in der filigranen Beherrschung ihrer Instrumente liegt. Das zeigt sich in den beiden Instrumentalstücken "Golden Nugget" und "Der Rote Corsa®", ersteres eine virtuose und vor allem furiose Violinenphantasie, letzteres eine Hommage an das erste Bandfahrzeug, dem die Liebe zum Touren und "Unterwegs Sein" aus jedem Takt entgegenspringt. 

"Friedensstraße" zeigt in vielen Momenten einen sehr souveränen Umgang mit dem Medium "Lied", denn Sophia & Beni schaffen es, neben vielen Eigenkompostionen und Inspirationen, auch fremde Texte und Töne in ihr breites Oeuvre zu integrieren. So darf ein spanischer Folkschlager namens "Eu Quero Apenas" aus der Feder von Roberto Carlos ebensowenig fehlen, wie die auch schon auf Benis Debüt vorgenommene Würdingung Hannes Waders mit "Unterwegs nach Süden", die tolle Volksliedinterpretation von "Bunt Sind Schon Die Wälder" darf dabei nicht unerwähnt bleiben.

Sophia & Beni machen auf "Friedensstraße" vieles richtig und haben es vor allem geschafft, ein Album zu erschaffen, dem man die Straßen und Wege anhört, auf denen die einzelnen Stationen und Situationen erschaffen wurden und viel besser noch, sich tatsächlich abgespielt haben.  

Was fehlt? Ein Ohrenöffner und der Vorschlag die beiden auf ihrer Homepage, ihrer Facebookseite und auf den kommenden Konzerten zu besuchen.