Freitag, 2. Juni 2017

Aufgemerkt/Lauschbilder: Indierock-Intermezzo



So ganz entscheiden wollte ich mich nicht, ob ich die drei folgenden Aufmerker ausschließlich unter dem Gesichtspunkt: da kommt was auf uns zu oder nur unter der zumindest in den ersten beiden Fällen herausragenden Bebilderung anspreche, ein bißchen Aufmerksamkeit haben alle drei verdient. Ersterer weil er sich als verdammter Hit präsentiert, zweiter weil Bild und Sound so hübsch zusammen passen, der dritte wiederum ob des Erwartungsmoment, dass da im Sommer ein formidables Album folgen könnte.

Kraftklub – Sklave

Ok, mit dem Genrebegriff vielleicht ein wenig sorglos umgegangen, aber dann halt: Hit! Hit! Hit! Nach dem Sturm und Drang des Debüts und dem unauffälligen zweiten Werk scheint ein veritables Schlagermonster entstanden zu sein. Die ersten Höraufmerker vernachlässigend schiebt sich „Sklave“ mit seinen zitierten Zeilen von Ärzten, DÖF und Bronski Beat direkt ins Gehirn und lässt Beine, Kopf und Hüfte zucken:



The Intergalactic Lovers – Between The Lines

Skurrile Bilder auf den Spuren Rene Magrittes begleiten die erste Single vom neuen, im September ercheinenden Album „Exhale“ der Belgier The Intergalactic Lovers. Zwingend gesungen von Lara Chedraouis, mit permanenten Bass- und Gitarrentremoli in die Post-Punk-Ecke drängend, ist „Between The Lines“ sommerlich wie ein vergessener Hit der Pretty Girls Make Graves:



Broken Social Scene – Skyline

Die Kanadier kommen nach sieben Jahren mit einem neuen Album um die Ecke und begeistern mit dem mit Hall und vielen Stimmen zur Sonne stürmenden „Skyline“. Wenn „Hug Of Thunder dann Anfang Juli erscheint, hat man dann vielleicht auch einen Tanzschritt zu den verzwickten Gitarrenhaken und gefällig polternden Schlagwerk gefunden:

Montag, 29. Mai 2017

Im Schnelldurchlauf – 2017 (I)




Inzwischen findet auf dem Bänkelsänger selbst viel zu wenig statt, während ich zumindest bei Facebook mit den Zwischenmahlzeiten noch den ein oder anderen musikalischen Volltreffer in den Fokus rücke. Grund genug den Schnelldurchlauf zu reaktivieren, um zwar nicht in epischer Ausformulierung, dafür aber vielfältig prägnant wieder mehr Musik ins Blickfeld zu bringen.
Dabei lasse ich mich wie gehabt eher vom eigenen Geschmack, denn von der gefühlten Dringlichkeit oder Aktualität leiten, was mich direkt beim ersten Künstler landen lässt, bei dem ich mich vor allem darüber ärgere, dass ich mich mit dessem Erstlingswerk erst nach dessen münsterschen Konzert beschäftigt habe und somit leider nicht auf Verdacht dort gewesen bin.


Der eigentlich bislang nur als Schauspieler in Erscheinung getretene Schilling macht auf Vilnius drängendern, chansonesken Pop, der sich zwischen die Stühle zu setzen scheint und gerade deshalb wunderbar funktioniert. Die jungenhafte Stimme Schillings, die mehr erzählt, denn tatsächlich singt, passt sowohl zur irgendwo zwischen Hinterhofband, Landstreicherfolk und Spelunkenjazz changierenden Musik als auch zu den Geschichten, von denen der Mime zu berichten hat. Vor allem das flirrende, einnehme Abschlussstück „Kalt Ist Der Abendhauch“, die ungestüme „Ballade von René“ und das hin und her stolpernde „Rasteryaev“ machen die besten Figuren, aber selbst das aufs erste Ohr ungewohnt süßliche Duett „Ja oder Nein“ mit Annett Louisan oder das Bettina Wegner-Cover „Kinder“, dass eine Spur zu beschaulich geraten ist, lassen „Vilnius“ zu einem erstaunlichen Erstlingswerk werden. Schon jetzt ein ernsthafter Kandidat, wenn es um die Jahresabrechung geht. 


Hurray For The Riff Raff – The Navigator

Deutlich zu wenig Beachtung hierzulande hat das mittlerweile sechste Studioalbum von Hurray For The Riff Raff bekommen. „The Navigator“ beschäftigt sich mit den puertoricanischen Wurzeln Alynda Segarras. Segarra ist Tausendsassa, kreativer Kopf und Leadsängerin zugleich und lässt während der gut vierzig Minuten Spieldauer hinreißend eingängige, mit viel Lokalkolorit gefärbte Indiefolksongs erklingen, wie das nach PJ Harvey schielende „Living In The City“. Doch auch das großartige „Pa'lante“, das ganz tief in der mittelamerikanischen Kultur badet, die tropische Americana-Fantasie „Rican Beach“ und selbst das einrahmende Doppel aus „Entrance“ und „Finale“ fangen die Stimmung zwischen wehmütiger Rückschau und emanziepierter Vorschau brilliant ein. 


Colter Wall – Colter Wall

Geschichten erzählen wie einstmals am Lagerfeuer oder aber auf den weiten Trails des mittleren Westen – mit der Stimme musste sich der blutjunge Colter Wall einfach an zum Teil historischen Americana- und Country-Titeln versuchen und lässt auf seinem selbstbetitelten Debüt keinen Zwischenton aus. Rostig, mürbe, so dunkel und tief wie ein Brunnenschacht veredelt das Organ des Kanadiers Hymnen wie Jimmy Rodgers „Thirteen Silver Dollars“ oder Bobby Helms „Fraulein“. Doch nicht nur die Stimme macht aus „Colter Wall“ einen ständigen Begleiter im Ohr. Denn auch die unglaublich virtuosen Banjo- Fiddle- und Steelguitarklänge machen aus Mörderballaden wie dem formidablen „Kate McCannon“ echte Silver Bullets für die geschundene amerikanische Seele.

Freitag, 3. März 2017

(Nur) Text: Was höre ich und wie viel davon?



...und plötzlich ist schon März.

Dieses Jahr ohne obligatorischen Kniefall, dafür mit einem ersten Text, der vielleicht sinnbildlich dafür steht, warum auf dem Bänkelsänger in den vergangenen Monaten ein wenig zu wenig passiert ist. Besserung gelobe ich mal lieber nicht,  sondern lasse einen Gedankengang sprechen, der in Zusammenhang mit einigen generellen Überlegungen zur Rezeption von Musik und der damit verbundenen Wahrnehmung sowie einer unabhängig stattgefundenen kurzen Diskussion in ähnlichen Themenfeldern entstanden ist:

Ausgehend von einer inzwischen länger zurück liegenden, aber dennoch spannenden Diskussion über Wahrnehmung musikalischer Genres innerhalb der selbst defininierten journalistischen Grenzen, habe ich mir mal selbst die Frage gestellt: was höre ich und wenn ja wie viel davon? Bin ich noch der selbsternannte „Folkie“, der sich fast ausschließlich über meist dunkel gefärbte Songwriter aus den übergeordneten Dunstkreisen Folk und alternativem Country freut und vor allem Poppigem und Hip-Hoppigem zurückschreckt? Kann ich Genrefremdes eigentlich ausserhalb der Geschmacksgrenzen bewerten bzw. beurteilen oder einfach nur genießen und reicht ein schnödes „Gefällt mir/gefällt mir“ nicht überhaupt noch aus?

Eine Erinnerung an das zuletzt Gehörte, gibt ein wenig Aufschluss. Gerade im vergangenen Jahr spielten Songwriter der Marke Damien Jurado, Nick Cave oder auch Sturgill Simpson eine gewichtige Rolle, doch schlichen sich vor allem experimentiell geartete Musiker dazwischen, solche die entweder durch eine soundästhetische Annährung auffallen wie Ian William Craig oder William Ryan Fritch oder solche, denen ein gewisser Hang zur traditionellen Liedform nicht verschlossen ist wie DM Stith oder Susanna. Doch was veranlasst mich über den immer noch ganz schön breiten Tellerrand hinauszusehen? Ich habe immer schon Poppiges und Rockiges goutiert, selbst der ein oder andere Hip Hop- oder Soulkünstler oder experimentierfreudige Soundtüftler konnte mich begeistern und auch bei dem ein oder anderen Vertreter der härteren Gangart konnte ich nicht Nein sagen. Genres mit denen ich gar nichts anfangen konnte, bewegten und bewegen sich in den kleinsten Nischen, so dass ich mir im Stillen die Frage nach dem „Was hörst du?“ mit dem ungeliebten, diffusen „eigentlich alles“ beantworten musste.

Doch wie differenziere ich eigentlich, was ich höre? Die schier unendlichen Möglichkeiten Musik zu konsumieren sind grenzenbefreiter denn je und egal ob auf legalen, grauen oder nebulösen Wegen einfach und dadurch auch ganz schön wahllos geworden. Suche ich speziell nach dem einen Interpreten, von dem ich eh alles konsumiere, was veröffentlicht wird, suche ich nach Genres, nach Spielarten, nach musikalischer Varianz, nach Zweckmusik? Wenn ich denn dann fündig werde, stellt sich die Frage nach der Reihenfolge: was wie und in welcher Häufigkeit? Höre ich das Stück nur der geraden gelesenen guten Kritik wegen oder aus Neugier oder gar Gewohnheit? Nehme ich mir ein Album in vollem Umfang zur Brust oder seziere ich Erworbenes oder Heruntergeladenes zuerst in Stücke um dann zu entscheiden, was gefällt und was eher hinten herüberfällt? Sortiere ich gar zunächst und lasse somit Überraschungen und Unerwartetes unbewusst hinten herunter fallen, den Gedanken im Kopf, irgendwann hören wir uns eh wieder?

Gerade die schier unendliche Menge an jungen Männern mit Gitarre, dieser so genannten Singer/Songwriter eignet sich vortrefflich für eine Beobachtung, denn da Ausgangsvorraussetzungen an Instrument und Stimme bzw. Stimmfarbe ähnlich sind, verläuft sich die Auswahl der konsumierten Songs und Alben gerne im Zufall. Dann spielt auf einmal Optik, Titelbezeichung, vielleicht gar ein erster flüchtiger Eindruck die Rolle und schon läuft ein Album, das tausenden anderen in kaum etwas voraus ist, aber eben durch ein spezielles Momentum die Nase vorn hat. So landet eben ein A. Dyjecinski oder ein Torgeir Waldemar eher in der Ohrmuschel, denn der umtriebige und nicht minder talentierte Conor Oberst, da ja schließlich eine maximale musikalische Breite nicht nur in der Genrevielfalt liegt, sondern auch in dessen Ausbau und Facettierung. Geht man gar über die journalistisch und rezeptionell vorgeschlagenen Genregrenzen hinaus und tummelt sich in Grauzonen, in denen sich diese Musiker mit Artfremdem verquicken, bekommt die Suche nach dem einen speziellen Künstler, den zu Hören einem ein gewisses Maß an Wissensvorsprung garantieren könnte, eine geradezu jagdähnliche Anmutung. Doch wann endet dann das genussvolle Zuhören und das sich von einem Musiker oder dessen Kunst vereinnahmen lassen, dass eben durch die Vielfalt im Keim erstickt werden könnte. Gerade wenn die Rezeption von Musik im Kampf gegen den bloßen Konsum Oberhand zu nehmen scheint, ist dann wohl schlussendlich ein leichter Schritt zurück von Nöten und die Rückbesinnung auf bereits Gehörtes und unendlich lieb gewonnene selbsternannte Klassiker, bei denen es zuletzt eben keine Rolle mehr spielt, warum sie gehört werden. 

Ohne Ohrenöffner läuft hier nach wie vor nix, ich greife mal auf die bereits in der Facebook-Zwischenmahlzeit  erwähnten Bonny Doon aus Detroit zurück, deren selbstbetiteltes Album am 10.03.2017 erscheint und dessen zweite Single sich aufgrund ihres weichen Grundcharakters nicht nur als Hintergrund geradezu fabelhaft in Szene setzen kann: