Montag, 30. April 2012

Shaban & Käptn Peng



Den erstens kommt es anders...

Wenn mich eine Anfrage erreicht, die sich eigentlich so gar nicht mit dem auf diesem Blog vorgestellten Musikspektrum deckt, gehe ich erfahrungsgemäß erst einmal in Habachtstellung. So auch bei Kreismusik, die das Berliner Hip Hop-Duo Shaban & Käptn Peng in den Ring schicken, um mit ihrem Album "Die Zähmung der Hydra" den "digitalen Wortwald zu durchwandern". Interessanterweise waren mir die beiden allerdings schon vor ein paar Wochen aufgefallen, während ich auf der Suche nach spannenden neuen Videos bei deren wunderbarer Kurzgeschichte "Sie mögen sich" stehengeblieben war.

Doch von Anfang an. Der Hip Hop von Shaban & Käptn Peng ist anders. Vor allem einmal sticht die ungewöhnliche Wortgewalt hervor, die sich bereits in den teils philosophisch, teils dadaistisch, (real-)satirischen Titeln der Tracklist wiederfindet. Da wird wie im Albumtitel bereits angedeutet mit der Hydra gekämpft, es geht in ein mythisches Land namens Oha, Menschen werden zu Füchsen und Pelikanen und Flotten von Mutatanten ziehen durchs Land. Musikalisch werfen die beiden Gwisdek-Brüder, die sich hier Shaban Alonso und Käptn Peng nennen, mit zahlreichen Referenzen um sich. Neben der augenscheinlichen Vorliebe für deutschsprachigen Mittneunziger-Hip-Hop tauchen Querverweise auf, die von sonderbaren Alltagsklängen über Sci-Fi-Gedudel bis hin zu filmmusikalischen Zitaten reichen. Selbst späte C86-Bands scheinen den beiden eine durchaus gelegene, wenn vielleicht auch unbewusste Quelle zu sein, erinnern doch die Beats von "OHA" und "Parantatam" an Pop Will Eat Itself, doch eigentlich spielen die Klangwelten im Vergleich zur Lyrik eine eher untergeordnete Rolle.

Allen angesprochenen Themen auf "Die Zähmung der Hydra" gerecht zu werden, geschweige denn eben jene zu erwähnen, würde den Rahmen sprengen, ein Kontest der allerdings vielen Gedanken der beiden innewohnt, ist der allem und jedem grundlegende Kreislauf des Universums. Dazu die immerwährende Frage nach dem Sein, die im eröffnenden "Sein Name sei Peng" auf die Spitze getrieben wird: "Bitte nehmen sie eine Identität an, den Anonymität ist die Maske von Tätern".  Große und kleine Metaphern, bildhaftes und doch realistisches Wortgut, das irgendwo zwischen Unsinn und großer Kunst bei "Die Störung" oder dem tollkühnen "Haus Brennt" entweder weise, verstiegen, seltsam oder geradlinig sein will und das auch kann.

"Viel Spaß beim Durchdrehn" heißt es in "Die Störung" und genau das ist bei Shaban & Käptn Peng Programm. Mitunter in halsbrechischerem Tempo werden Figuren wie die Silberrückenpfeilgiftninjas aus "Haus Brennt" lebendig, zählt man die Orte und Personen die "Die Zähmung der Hydra" bevölkern auf, muss man schon das große Einmaleins beherrschen. 15 Titel, die teils in epischer Breite von mehr Sinn und Unsinn erzählen als das Leben selber und einen Kreis von Ideen gestalten, die sich im Mai auch live zehnmal miterleben lassen.

    09.05 Berlin — Lido
    10.05 Magdeburg — Moritzhof
    11.05 Bremen — Lagerhaus
    12.05 Dresden — Groove Station
    14.05 Regensburg — Heimat
    15.05 München — Hansa 39
    16.05 Erlangen — E-Werk
    17.05 Frankfurt — Das Bett
    19.05 Köln — Studio 672
    20.05 Hamburg — Knust

...und wer jetzt denkt, das Hip Hop eigentlich nichts auf dem Bänkelsänger zu suchen hat, dem sei noch einmal das fabelhafte "Sie mögen sich" ans Herz gelegt, dass auch visuell meisterhaft in Szene gesetzt wurde:





Samstag, 21. April 2012

Aufgemerkt: Ben Schadow

Kleine Geschichten.

Bis zur Veröffentlichung dauert es noch einen knappen Monat, dann erblickt das erste Soloalbum von Ben Schadow mit dem hübschen Titel "Liebe Zur Zeit Der Automaten" das Licht der Welt. 

Vor einigen Wochen hatte ich bereits über Pretty Mery K geschrieben, bei denen Schadow ebenfalls als Musiker und Produzent mitwirkt und wenn man sich dann gleich mal seine Gesamtdiskographie mit allen Beteiligungen anschaut entdeckt man Namen wie Bernd Begemann und Dirk Darmstädter, Olli Schulz, Finkenauer und Kettcar, denen er allesamt schon mal mit Bassbegleitung mehr als ausgeholfen hat.

Nun also solo mit "Liebe Zur Zeit Der Automaten" (nach einer Geschichte von E.T.A. Hoffmann). Schadow macht keinen Hehl daraus, wo sich seine Inspirationsquellen schon überall durchs Geäst geschlängelt haben. Titel wie "Gnade trägt man in Särgen" oder "Einer aus Stolz, einer aus Scham" klingen nach 90er-Jahre Hamburger Schule, musikalisch gibt es hingegen Brückenschläge von 60s-Pop bis hin zu moderner Liedermacherharmonik und drängelndem Indierock.
Schadow skizziert kleine Alltagsszenerien ohne mit dem Seziermesser alles in seine Bestandteile zu zerlegen. Besonders gelungen ist das im nachdenklichen "Einer aus Stolz, einer aus Scham", das mit verschlepptem Walzertakt irgendwo zwischen grauer Melancholie und aufblitzender Ironie spielt. Im countryesken "Herz Aus Holz" holt er wiederum so fein ziseliertes Liebesliedchen aus wenigen fein gesetzten Worten und das abwechslungsreiche "Eigentlich kann es ja nur besser werden" erinnert gar an die Großtaten des besten deutrschsprachigen Albums des Vorjahres von Locas In Love. Manchmal verwandeln sich die Songs auf  "Liebe Zur Zeit Der Automaten" allerdings auch in eine Art Zitatenreigen, da "heilen Wunden" wie im dann doch recht liebestrunken vor sich hin mäandernden "Heller Fleck im schwarzen Meer" gleichermaßen wie der "Regen grau durch das Glas der Wand schleiert." (Was wenn es mich wach entdeckt). Das Album sammelt in seinen mit In- und Outro einfassten 10 Stücken viele Kleinigkeiten auf, fügt sie mit Versatzstücken, die Schadow in den letzten zwanzig Jahren zu Ohren gekommen sind, zu einem phantastischen, wenn gleich doch erschreckend realistisch erscheinenden Mikrokosmos zusammen. Es geht um Liebe, um Tod, um Romantik und vor allem um die Wege sich gesanglich damit auseinanderzusetzen. Schadow gelingen hier immer wieder aneckende Gedankenspiele, die sich vielleicht nicht immer vollends innovativ, aber konsequent sympathisch präsentieren und dabei das ein oder andere Augenzwinkern zulassen.

Das Album erscheint am 18.05.2012 via Timezone, die Single "Ich Fall immer auf die gleichen Dinge rein" bereits 2 Wochen früher.

Hinhören darf man aber auch hier schon mal:

  

Dienstag, 10. April 2012

Nigel Wright



Junge/Gitarre.

Wie fängt man eigentlich den xten Blogbeitrag an, der sich mal wieder einem jungen wortgewandten Musiker widmet, der vordringlich zur Gitarre seine entweder erzählerisch-lautmalerische oder textlastig-lyrische Prosa in die Welt singt und sich dabei stimmlich irgendwo zwischen den Genrereferenzen Nick Drake, Jeff Buckley und William Fitzsimmons ansiedeln lässt?  Huch schon passiert, dann sollte nun auch schleunigst der Name des neuesten "Wunderkindes" folgen, denn jung ist Nigel Wright in jedem Fall, ob er hingegen auf "Milfoil" wahre Wunder vollbringt, muss sich erst noch beweisen.

Sicher, der Opener "Advance" ist geschmackvollster Songwriter-Folk, der die ein oder andere Energie-Kompomnente mit sich herumschleppt und aus einem leichten Hall heraus durchaus kraftvoll zupacken kann. Das Gitarrenspiel beherrscht der Amerikaner aus den Blue Ridge Mountains auf alle Fälle, im heimeligen "This Far" pickt er mit feinster Akkuratesse und lässt die Saiten zur teilweise gedoppelten Stimme nur so fliegen. Ach so, die Stimme ist der größte Pluspunkt Wright, klingt er doch mit knapp 20 schon ziemlich reif und weise, lässt sich aber auch nicht vollends in trunkenen Moll-Blues eintauchen. Dunkel ja, aber nicht finster, so scheinen die Stücke auf "Milfoil" immer nahe dran zu sein, in die Nacht hineinzukippen, doch durch die kurzweiligen Arrangements tröpfelt immer mal wieder feines dünnes Licht durch die in ihrer Schlichtheit bezaubernden Gitarrenklänge. Ein Klavier, eine etwas härter angeschlagener Akkord, ein Tempowechsel inklusive voranstürmender Chorbegleitung wie im begeisternden "Solid Muse". Knurrige Begleitung und Drake'sche Ostinato-Motivik die entfernt an den "Black Eyed Dog" erinnert, umfängt einen dann in "The Retreat" und sogar ein aufmüpfiges Instrumental an zweiter Stelle verweisen auf erheblich mehr Vielfalt, als es die einleitenden Sätze suggeriert hatten. Bedenkt man dazu, dass Wright "Milfoil" zum großen Teil im Alter von 16 Jahren verfasst hat, darf dann schlussendlich auch gestaunt werden, zumal den 9 Songs auch zum Ende hin nicht die Luft ausgehen, was das ruhige "Upside" und das schwelgende Titelstück eindrucksvoll beweisen.

Wright verfeinert die Erfolgsrezeptur Junge/Gitarre zwar nicht erheblich, hat jedoch genügend Eigenständigkeit durch ungewohnte Versatzstücke, seine mit hohem Wiedererkennungswert ausgezeichnete Stimme und schlichtweg guten Songs, deren Nachfolger mit dem hervorragenden "Anna" bereits in den Startlöchern stehen. Und im Sommer/Herbst gibt's eine Tour, dann darf man sich hoffentlich auch von den leibhaftigen Künsten überzeugen.

Und jetzt wünsche ich dem Nigel noch mehr Aufmerksamkeit als er es eh schon bekommt, kann es schließlcih etwas Feineres geben, als sich mit solchen Ohrenschmeicheleien durch den Frühling zu retten:

 


Weiterlesenswert: der Folkspaziergang bei AUFTOUREN, denn da darf nicht nur der Nigel auch noch mal singen :-)

Mittwoch, 4. April 2012

My monthly Mixtape: April



Variantenreiche Popfinten oder doch lieber progressives Geschwurbel mit latentem Songwriterbezug? Leichtfüssige Ohrwurmgarantie oder doch zentnerschwere Larmoyanz? Naturumschlungener Mystizismus oder pastorale Flächenfüller? Raubaukiges Hobo-Timbre oder doch Espenlaub-Altstimme?Von allem was dabei, und so ist das Mixtape für den April kurios, kapriziös und vor allem eines: vollmundig klangvoll.

01. Frankie Rose - Know Me
02. Xiu Xiu - Hi
03. Alex Winston - Velvet Elvis
04. Julia Holter - Marienbad
05. Mike Wexler - Pariah
06. Will Stratton - You Divers
07. Nigel Wright - Anna
08. Steve Smyth - No Mans Land
09. King Charles - Mississippi Isabel
10. Rocky Votolato - Little Spring
11. Dry The River - Bible Belt
12. Bowerbirds - Walk the Furrows
13. Lost in the Trees - Icy River
14. Anaïs Mitchell - Tailor
15. Willis Earl Beal - Evening's Kiss
16. Michael Kiwanuka - I Won't Lie
17. Phantom Limb - Tumbling Down
18. Loreena McKennitt - The Lady of Shalott


Die Mixtape-Ausgaben der vergangenen Monate werden im Übrigen zu verschiedenen Zeiten auch nach Erscheinen beim "Radio der von Neil Young Getöteten" gespielt, die diesmonatige Ausgabe folgt dann mit Sicherheit auch in Kürze.

Montag, 2. April 2012

Hitparade 2012 - Vol. 1


Bevor es in den kommenden Tagen (gehofft binnen dieser Woche) wieder ein neues Mixtape gibt, muss erst mal wieder abgerechnet werden. Und wie macht das der Bänkelsänger am besten? Indem er die in diesem Jahr bereits ausreichend konsumierten und bewerteten Alben des ersten Quartals in Reihe bringt und dabei keine Scheu zeigt, eine erste, vielleicht noch nicht ganz so ernstzunehmende Top Ten zusammenzustellen. Wie immer wird hier hübsch getrennt nach Songs und Alben, erstere, wie den vorhergehenden Listen zu entnehmen, sind nicht Bestandteil der ausgezeichneten Alben, die ja ohnehin schon Würdigung erfahren. Ach, und wer sich noch mehr Listenvielfalt konsumieren möchte oder des Bänkelsängers' Auswahl ein zweites Mal gewahr werden will, schaue doch einfach mal bei AUFTOUREN vorbei, da gibt's derer viele mehr.

Doch nun zu den Listen im Einzelnen:

Alben:

1. Michael Kiwanuka – Home Again
2. Alcest – Les Voyages De L’Âme
3. Matt Elliott – The Broken Man
4. Felix Meyer – Erste Liebe/Letzter Tanz
5. A Whisper In The Noise – To Forget 
6. Perfume Genius – Put Your Back N2 It
7. Shearwater – Animal Joy
8. Jim Moray – Skulk
9. Bowerbirds – The Clearing
10. Anaïs Mitchell – Young Man In America 

Songs:

River Whyless - Stone
First Aid Kit - Emmylou
Vierkanttretlager - Fotoalbum
James Low & The Western Front - Thinking California
Nerve City - Sleepwalker
Crybaby - I Cherish The Heartbreak More Than The Love I Lost
Mark Lanegan - Grey Goes Black
Nigel Wright - Anna
I Used To Be A Sparrow - Life Is Good
Fanfarlo - Tightrope

...wie immer obliegt den Songs eine willkürliche Reihenfolge, die allein dem aktuellen Gedächtnis des Autoren geschuldet ist.

Ohne Ohrenöffner geht's natürlich nicht, hier ist das Futter: