Donnerstag, 30. Juni 2011

Hitparade 2011 - Vol. II



Halbzeit. Endlich? Wenn man sich die Veröffentlichungen des letzten halben Jahres anschaut, die noch nicht in den Genuß gekommen sind, einen Beitrag auf dem Bänkelsängermixtape oder im besten Fall sogar einen eigenen Blogartikel bekommen zu haben, fallen viele große, mittlere, kleine, neue, alte, überraschende, ungewöhnliche, gute und weniger gute Platten, Songs und Künstler auf. 2011 ist einfach bislang so vielfältig und vielversprechend wie selten ein Jahr, auch wenn ich selbiges auch im vergangenenen Jahr mehrmals verlautbart habe, da muss zwangsläufig einiges hintenrüber fallen. Die die es geschafft haben, des Bänkelsängers' Herz besonders zu erobern, bekommen aber dennoch jetzt wie gewohnt ihre verdiente Würdigung. Natürlich wie immer mehr als Augenblick denn als in Stein gemeißeltes Manifest.

Die Alben:

1) Josh T. Pearson - The Last Of The Country Gentlemen
2) Cult Of Youth - Cult Of Youth
3) Cass McCombs - Wit's End
4) James Blake - James Blake
5) Tu Fawning - Hearts On Hold
6) Patrick Wolf - Lupercalia
7) King Creosote & Jon Hopkins - Diamond Mine
8) The Decemberists - The King Is Dead
9) The Mountain Goats - All Eternals Deck
10) Matt Bauer - The Jessamyne County Book Of The Living
11)Barbara Panther - Barbara Panther
12) PJ Harvey - Let England Shake
13) Bon Iver - Bon Iver
14) Fleet Foxes - Helplessness Blues
15) Declan De Barra - Fragments, Footprints & The Forgotten
16) Daniel Martin Moore - In The Cool Of The Day
17) Jamie Woon - Mirrorwriting
18) Sons & Daughters - Mirror Mirror
19) Bill Callahan - Apocalypse
20) Huke Green - Rusty Poet

Bei den Songs verfahre ich wie gehabt, denn hier sind auf den genannten Alben schon so viele tolle Stücke, dass es einfach unfair wäre, den ein oder anderen Einzelsong auf vernachlässigten oder zu spät entdeckten Alben nicht zu würdigen. Der Einfachheit halber sind es alles Lieder, die im vergangenen Vierteljahr Hauptrollen gespielt haben, das VÖ-Datum nehme ich dieses Mal nicht ganz so genau:

Die Songs (in willkürlicher Reihenfolge):

Ulterior - Sex War Sex Cars Sex
The Winterlings - Lauren's Forest
Thurston Moore - Mina Loy
Moses Luster And The Hollywood Lights - Lover
Kitty, Daisy & Lewis - I'm Going Back
Frank Turner - Glory Hallelujah
James Hoffman - The Oregon Song
Scott Matthew - Felicity
Jim Bianco - Sinners
Old Lost John - Regina's Bar

und selbstverständlich darf ein Ohrenöffner nicht fehlen, ich wähle, nicht ohne Hintergedanken, den hier:



Montag, 27. Juni 2011

Matt Bauer



Quellwasserfrische Kostbarkeiten.

Bei den ersten Klängen von "Useless Is Your Armor" will einem schier das Herz zerspringen. Banjo, Streicher, und ein wenig Hintergrundtingeltangel rahmen die seltsam flüchtige Stimme Matt Bauers ein, der mit seinem dritten Albuzm "The Jessamyne County Book Of The Living" sicherlich das beste seiner bisherigen Laufbahn vorgelegt hat. 
Sicher, mit wenig Haupt- dafür umso mehr Barthaar mag er ob seiner zarten Stimme schon ein wenig belächelt werden. Wenn man sich aber die grandiosen Kompositionen des Amerikaners zu Gemüte führt, ist eine weitere Beschäftigung mit dem Musiker quasi unumgänglich. Dabei ist es auch völlig egal, ob man sich im an ruhige Vic Chesnutt-Momente erinnert fühlt, indem man beim getragenen "White Lakes" leise vor sich hinweint und der fragilen Duett-Partnerin Mariee Sioux lauscht oder dem exotischen "When I Was A Mockingbird" Gehör schenkt, wenn es Gamelan-Klänge in den Abendhimmel sendet. Es sind vor allem die weiblichen Gäste, die dem Album noch einen Hauch mehr Finesse beschweren, denn auch Jolie Holland übernimmt zum Beispiel beim kargen "Blacklight Horses" mehr als nur eine Nebenrolle.
Nun ist es aber nicht so, dass "The Jessamyne County Book Of The Living" nur von den abwechslungsreichen Vokalvarianten lebt, Bauer selbst lässt die unterschiedlichsten Instrumente in Vorder- und Hintergrund erklingen, vom Picasso Quartet ganz zu schweigen, welches den größtenteils fließenden Songs ein ruhiges Bett bietet. Das fließende, flüssige Klangbild erinnert zuweilen an das ähnlich klingende, aber wesentlich karger instrumentierte letzte Album J. Tillmans von den Fleet Foxes, "Singing Ax", Bauer mischt aber neben purer Kontemplation eben durch die vielen Mitmusiker einige schillerndere Facetten in die jeweiligen Stücke. Spätestens wenn wie beim letzten Titel "Flowering Deer" auch noch Alina Hardin und Angel Deradoorian zur Streicherbegleitung dazustossen, und mit Bauer und seinen restlichen Gästen einen fesselnden Schlusschoral anstimmen, wird dem Hörer endgültig vor Augen geführt, was für ein fulminantes, frisches und dennoch ungemein friedvolles Album Matt Bauer mit seinen zahlreichen Mitstreitern gelungen ist.

Der Hör- und Sehbeweis:

Montag, 20. Juni 2011

My Own Private Alaska



Rot. Blutrot.

Gedämpfte Atmosphäre. Impulsives Schlagzeug. Akzentuiertes Pianospiel. Angestrengter, ekstatischer Gesang. 
My Own Private Alaska gehen auf ihrem Akustik-Album "The Red Sessions" einige Wagnisse ein und verstehen es doch mit dieser ungewöhnlichen Kombination ohne Gitarre oder Bass ungeheuer intensiv zu klingen.
 So erschreckend die Stimme Matthieu Miegevilles im bezeichnend betitelten "Red" auftaucht, so funktioniert doch das Zusammenspiel in der Dreiercombo ganz vorzüglich. Das Piano treibt den Song konzentrisch voran und spart auch nicht mit intensiven Basslinien. Miegevilles Organ heult, braust und flüstert darüber hinweg und mit urgewaltiger Kraft verdrängt es das nicht eben lieblich im Hintergrund vor sich hintrommelnde Schlagzeug. Auch "After You" arbeitet mit dieser orgiastischen und organischen Vehemenz, Töne werden zu Kunstwerken, Klänge zu verschleierten Dömen aus Schall und Wahn. Doch nicht nur bei den Eigenkompositionen entstehen diese bildreichen Landschaften, eingehüllt in purpurnes Linnen. Das Traditonal "Where Did You Sleep Last Night" an dem sich schon Künstler von Dolly Parton über Mark Lanegan bis hin zu Nirvana ausgetobt haben, bekommt eine neue Komponente, die der grundlegenden Cobain-Variante in nichts nachsteht. Kettenrasseln, durch Schlagwerk und "bearbeitetes" Klavier erzeugt, schleppt sich durch den Folksong wie ein böses Hirngespinst, bis Miegeville zum zornig wispernden Waldgeist wird. 
Es ist nicht verwunderlich, dass die drei Franzosen ihr Werk "The Red Sessions" genannt haben, sind doch Schattierungen von Karmin bis Zinnober allgegenwärtig.  Hält man sich dagegen jedoch Bandnamen und Titel wie "Anchorage" vor Augen, pfeift doch ein eisiger Wind durch die szenischen Lautbilder und blutige Rinnsale fließen durch diese blassblaue Gletscherwelt. Ob dieser Zwiespalt nur daher rührt, dass sich auf dem Album eben nur Akustik-Versionen früherer Alben befinden, denen die Screamo-Wurzeln um einiges heftiger anzumerken sind (auf dem Vorgänger "Amen" spuckt der Sänger zuweilen Gift und Galle), oder ob hier bewußt mit Feuer und Eis gespielt wird, mag keine unbedachte Frage sein. 
Ein ähnliches Wechselspiel wie es bei  von A Whisper In The Noise zu finden ist, dort jedoch weniger in rot und schwarz, sondern eher erdfarben und grün. Nun,  ganz ungrün sind My Own Private Alaska auch nicht, geht es doch bei "I Am An Island" um klimapolitische Grundlagen, Miegeville prangert an und setzt den tosenden Klavierakkorden zischelnde Spoken-Word-Einlagen entgegen. 
"The Red Sessions" sind eine sehr unwirkliche Angelegenheit, vor allem vor dem Hintergrund, dass die drei Jungs ihre "Instrumente" mit klassischer Hingabe bearbeiten und mit beißendem Spott und Zynismus über Gott und die welt herziehen, mit Stücken, die eigentlich so nicht zusammengehören. Dennoch wirkt alles wie aus einem Guß und verzaubert und verstört gleichermaßen:

Donnerstag, 16. Juni 2011

Mother Falcon



Zwischen allen Stühlen.

Mother Falcon sind eine vielköpfige Truppe. Die Homepage des Kollektivs aus Austin, Texas, nennt nicht weniger als 19 Mitglieder, von denen bei Konzerten mal 10, mal wieder 20 Musiker auf der Bühne stehen. Vielfalt als Konzept sozusagen, denn genau diese vielen Köpfen und deren Stimmen, Instrumenten und Ideen ist mit "Alhambra" ein wahrhaft abwechslungsreiches und vielseitiges Album gelungen.
Angeführt von Nick Gregg, der alleine schon mit Cello, Mandoline, Gitarre und Piano agieren kann und dazu auch den meisten Stücken die Leadvocals schenkt, zelebrieren Mother Falcon ihre kleinen, aber feinen Stücke effektvoll. Allein mit den verwendeten Instrumenten im ersten Drittel des Albums kommt eine herkömmliche Folkband mindestens 10 Jahre aus. Die Streicher zischeln, schnarren und wiegen sich in den Bäumen, in denen sich "Fireflies" zum Tanz versammelt haben. Kontemplativer, aber keineswegs langweilig empfängt dann wiederum "Sanctuary" seine Zuflucht Suchenden, ehe das zynische "Drown Me In The River" den Haken zurückschlägt. Herausragend, wie sehr sich Gregg und seine Mitstreiter von der Stilsprache barocker Popminiaturen inspieren haben müssen, doch weicht die den Vorbildern häufig innewohnende Opulenz kontrastreicher Leichtigkeit. "Alligator Teeth" zum Beispiel, mit seinem entzückenden Wechselspiel von Blechbläsern und Streichern, die ihren ganz großen Auftritt dann allerdings erst im instrumentalen "Waltz" bekommen. Verschleppte und wieder anziehende Tempi, unruhiges Pizzicato und anmutige Melodieseligkeit fügen sich zu einem beschwingten Intermezzo. So könnte es ewig weitergehen, das Hin und Her zwischen freudestrahlendem Optimismus und rauschhafter Elegie (für letztere bitte mal "For Papa" anhören), doch nach einer guten Dreiviertelstunde klingt "Alhambra" mit Verve aus. Barocker Folk, der trotz zahlreicher Ornamente nie verschnörkelt wird. Melodien, die sich trotz aller Eingängigkeit nicht direkt in der Ohrmuschel festsetzen. Klänge, die Herzenswärme und Eleganz verschmelzen, ohne kitschiger Radiobombast zu werden.

Beweise?

Freitag, 10. Juni 2011

My monthly Mixtape: Juni



Spät kommt es, doch es kommt: das monatliche Mixtape: Der Juni hat’s in sich! Zuerst gibt’s perlende Frauenstimmen zwischen teuflisch lustvoll und lauernd lasziv bis der Übergang waghalsigen Pop verspricht. Passend zu warmen Sommertagen darf dann auch schwüles Südstaatenflair nicht fehlen, bis alle tanzend und vor Glück gröhlend in die Biergärten dieser Welt aufbrechen.

01. Barbara Panther - Dizzy
02. Bachelorette - Polarity Party
03. Austra - Lose It
04. Susanne Sundfør - Father Father
05. Arborea - Spain
06. Samson & Delilah - Brother Jon
07. Other Lives - Tamer Animals
08. Shayfer James - Life Is Beautiful
09. The Indelicates - Something Goin' Down In Waco
10. The Felice Brothers - Honda Civic
11. Thurston Moore - Mina Loy
12. The Winterlings - Lauren's Forest
13. The Gentle Good - Old Window Song
14. Moses Luster And The Hollywood Lights - Lover
15. Huke Green - Backwoods
16. The Michael J. Epstein Memorial Library - The Weeping Song
17. Hope And Social - Sleep Sound
18. Kitty, Daisy & Lewis - I'm Going Back
19. Frank Turner - Glory Hallelujah


...und natürlich wird auch dieses Mixtape in den nächsten Tagen beim wunderbaren "Radio der von Neil Young Getöteten" laufen.

Mittwoch, 8. Juni 2011

Aufgemerkt: The Lobster Boat



Wollen wir doch mal wieder das Spektrum erweitern und in der eigentlich für die weitreichende Vorschau gedachte Rubrik "Aufgemerkt!" eine Platten- und Live-Ankündigung wagen.

The Lobster Boat ist nämlich eine feine Collaboration aus Howard Hughes von den spleenigen Indiefolkern von Coming Soon und dem mindestens ebenso kauzigen David Tatersall der zwischen Rock, Pop und Folk oszillierenden Wave Pictures. Im Ganzen heißt das: hier wird feiner Folk mit waghalsigen Texten und unverwechselbaren Stimmen geboten, der sicherlich auch live auf folgenden Bühnen eine gute Figur macht:

20.06. Köln - Die hängenden Gärten von Ehrenfeld
21.06. Gießen - Hauskonzert
22.06. Leipzig - Kafič
23.06. Berlin-Neukölln - Weserstr. 58
24.06. Freiburg - Swamp
25.06. CH-Basel - 1. Stock
26.06. CH-Märstetten - Hauskonzert

Infos dazu gibt's auf der Facebookseite.

...und damit auch ein kleiner Vorgeschmack zum Anreiz gereicht wird den man dann auch käuflich erwerben kann, gibt's so einiges via soundcloud zu hören:

Sonntag, 5. Juni 2011

Huke Green


Rostiger Poet.

Gut abgehangener Alt-Country mit Sargnagelstimme vorgetragen. 
Nichts Aussergewöhnliches auf dem Bänkelsänger. Eigentlich! Und doch! So grantig genuschelt und geknurrt hat lange keiner mehr. 
"Rustic Poet" von Huke Green steckt voll von irdenem Glück und Unglück. "I see trouble fall like rain" singt Green im gemächlichen "Downtrodden Prayer", ein Bild welches sich ausgezeichnet in die zehn Stücke einbrennen lässt. Gerade der Anfang zieht doch ziemliche Trauerschlieren, und hört man das brüchige Organ Greens im eröffnenden "Backwoods" hält man schon mal unwillkürlich die Luft an. Diesem Timbre muss zugehört werden. Der texanische Songwriter sieht dazu auch noch wie einem Outlaw-Western entsprungen aus. Die langen dunkelbraunen Haare, den Cowboyhut ins Gesicht gezogen, schon schade, denn dahinter verbergen sich nach Fernweh verzehrende Augen. Es scheint aber auch so, als würde Green seinen Gedanken nicht erlauben, sich weit von ihm selbst zu entfernen. "Praying For Rain" lässt ein Geigenmotiv auch nur eine Handbreit weit weg um die betende Stimme herumscharwenzeln, "Devil's Shout" will noch intimer sein und lässt die Streicher gar nicht davonziehen. 
Manchmal scheint aber auch die Urgewalt, sich selbst nicht entwurzeln zu können, in Wut umzuschlagen, im rootsrockenden "Next To Me" oder auch unterschwelliger im melancholischen "Letter To A Son". Direkt positiv, ja fast schon beschwingt wiederum singt er in "Front Porch" über Freunde, Sonnenschein und die schönen Eigenarten des Lebens. Die Mundharmonika im Anschlag, das Banjo unter dem Arm, dass nicht noch fröhlich vor sich hin gepfifen wird, hier scheint Green mit sich und seiner Welt im Reinen. Die klagende Geige und das rostige Organ im abschließenden "Peggy" rücken die Dinge aber wieder zurecht: selten war Albumtitel so sehr Programm wie hier bei Huke Green.