Samstag, 30. Oktober 2010

Tyler Stenson



Ein Mann und seine Gitarre....und ein bisschen drumherum.

Tyler Stensons Myspace-Seite gibt als Herkunftsort Nashville und Portland an, da ist es klar wohin die Reise geht. So könnte man zumindest auch aufgrund von Songtiteln wie "As The Crow Flies", "The Road" und "Great Man's Funeral" auf erdigen, heimatverbundenen Country tippen und hätte dann doch nur halb recht. Der Musiker findet auf "Bittersweet Parade" zwar sicherlich auch Wurzeln amerikanischen Volksguts, dennoch wählt er meistens elegantere Wege, um seine weichen, erzählenden Stücke vorzubringen.
"I Get No Sleep" punktet da mit öligen Orgelklängen, gemächlicher Stimmung und Pizzicato-Banjo. Diese Langsamkeit, diese innere Ruhe ist es auch, die dem Album seine Momente zuweist. Im Opener "Welcome To Chance" versucht sich Stenson als schwelgender Western-Troubadour, das sich leicht und federnd dahinwiegende "Great Man's Funeral" lässt sich auch durch das vorsichtig beschleunigte Schlagzeug nicht aus der Fassung bringen. Es ist erstaunlich, wie sehr sich Stenson vermeintlichen Referenzgrößen annähert, so klingt "You Already Know" nach einem heiseren Damien Rice, die Mundharmonika hingegen hat er sicherlich bei Rocky Votolato geklaut.
Es ist fast ein Gefühl, man lernt auf "Bittersweet Parade" alte Freunde neu kennen, "Push The River" nimmt dazu den Hörer an die Hand, gibt ein paar dunkle Streicher an die Hand und lässt ihn tränenfeucht oder voll von wohlige Wärme zurück. Diese Gefühligkeit nimmt auch über den Rest des Albums nicht mehr ab, höchstens bei der Intensität wagt Stenson den ein oder anderen Schritt zurück, in "Blush" merkt er treffend an "underneath our clothes, we are just heart and bones", verletzlich, zerbrechlich, trotzdem aber lebendig. Oder gerade deshalb? Schließlich will er ja auch bis zuletzt kämpfen, wie er in "Fight Til Dying Day" anmerkt, welches mit Akkordeonbegleitung wunderbar in die Abenddämmerung schaukelt. "Wyoming" setzt dann den krönenden Abschluss, wieder voller Ruhe, wieder voller Kraft.

Ein hörbares Roadmovie, aber ein sehr lohnendes:

Montag, 25. Oktober 2010

Hits von gestern: David Geddes - Run Joey Run

...manchmal muss man halt Farbe bekennen. Der Bänkelsänger ist vielleicht nicht süchtig, aber dennoch sehr angetan von GLEE. In der Folge "Bad Reputation" der ersten Staffel spielt diese herzzereissende "Mörderballade" eine entscheidende Rolle, die ich hier als "Hit von gestern" noch mal zu Gehör bringen möchte. Ausserdem war "Run Joey Run" zu Kindertagen ein gern gesehener Mixtape-Gast:

Dienstag, 19. Oktober 2010

Emily Portman


Honigsüße Stimmgewalt im anheimelnden Klanggewand.

Es ist eine traditionelle Spielart britischen Folks, die die junge Dame aus Newcastle-upon-Tyne zu Gehör bringt und doch klingen die kleinen und filigranen Songs auf ihrem Soloalbum "The Glamoury" ungeheuer frisch und modern. Das fängt beim sensibel instrumentierten Opener "Bones And Feathers" an, indem es nur so vor Spielfreude und Musikalität strotzt. Emily Portman lässt hier schon ihrer hellen Stimmfarbe viel Raum, selbst die aufbrausenden Streicher werden zum sanften Begleiter und auch sparsam eingesetze Tasten- und Concertina-Klänge untermalen eher als sich in den Vordergrund zu rücken. "Tongue-Tied" spielt mit hübschem Zwiegesang, ein Echo-Effekt wird führendes Element und erhält auch im ruhigen, fast pendelnden "Grey Stone" seinen festen Platz. Portman versteht es meisterhaft, die federleichten, von mittelalterlichen Melodielinien durchzogenen Stücke in abwechslungsreiche Kostbarkeiten zu verwandeln, aus dem am Anfang nur mit gezupfter Gitarre begleiteten "Mossycoat" wird ein lebensfroher Reel, ungestüm und übermütig.
Es scheint zu jedem Zeitpunkt so, als wäre der Sängerin mitten im Song eine neue Idee gekommen, "Stick Stock" zum Beispiel baut auf einen Abzählreim auf, dann wird Tempo aufgenommen, eine zweite Melodie aufgenommen und auf einmal abgebremst, vielleicht um schon einen Vorgeschmack auf das folgende, von knorrendem Cello eingeleitete "Little Longing" zu geben. Natürlich finden sich auf "Glamoury" auch klassische Folksongs. Wie auch Alasdair Roberts auf seinem aktuellen Album "Too Long In This Condition" versucht sich Emily Portman an "Two Sisters" und schafft es, eine mehr als ebenbürtige Version fast an das Ende des Album zu setzen, das mit dem fast schon experimentiell anmutenden "Sirens" und dem A-Capella-Stück "Three Gold Hairs" sicherlich ein mehr als anspruchsvolles, aber dennoch wunderbar warmes Abschlußtrio bietet.
Es ist schon bemerkenswert, dass sich erneut eine britische Folksängerin so eigenständig präsentiert und dennoch Stücke im Repertoire hat, die inzwischen beinahe Evergreens geworden sind. Folkgemeinde aufgemerkt: hier kommt Emily Portman!

Leider gibt es (noch) kein aussagekräftiges Video, daher muss die Myspace-Seite ausreichen, die dafür dann aber auch mehr Songs vom Album anbietet:

Hier geht's zu Emily Portman.

Dienstag, 12. Oktober 2010

Mark Growden



 Langsam schleppt sich ein Akkordeon klagend in den Raum.

Es scheint nahezu unfassbar, wie sehr sich Mark Growden aus San Francisco manchmal nach Tom Waits, manchmal nach Nick Cave anhört und dabei mindestens vier verschiedene Instrumente spielt. Saint Judas heißt sein in diesem Jahr erschienenes Album und eigentlich klingt es auch genau so. Zwischen getragenen Gospelblues und rauhbeinigen Americana mischen sich biblische Anspielungen, Engelschöre und verlockende musikalische Versuchungen.
Wenn sich direkt am Anfang der "Undertaker" aus den Untiefen der Hölle den himmlischen Verlockungen stellt, wird einem schier angst und bange, wie hier wird mit Klang, Melodie und hereinschleichender Intensität Atmosphäre geschaffen hat. Gut kann man sich die Bilder vorstellen, wenn sich im titelgebenden "Saint Judas" die Parade der Heiligen und Sünder auf den Weg macht, begleitet von torkelndem Dixieland, knochentrockenen Blechbläsern und einer vor Eifer geradezu angespannten Stimme.
Dieses Zusammentreffen von tiefer Spiritualität und himmlischer Leichtigkeit, die sich in den bis zu 9 Minuten langen Stücken immer wieder findet, beherrscht auch die wie aus waidwunder Kehle angestimmten "Been In The Storm So Long" und "I'm Your Man", wobei letzteres mit seiner gedämpften Trompete mehr als nur die Träne im Knopfloch zurücklässt. Aber auch wenn die danach im lockerer schunkelnden "Faith In My Pocket" schnell wieder weggewischt wird, spätestens wenn das melancholische "Coyote" die letzte Spur an Helligkeit vertreibt, wird die Stimmung wieder dunkel. Dem wunderbaren Video dazu ist anzumerken, Growden kann auch Filme untermalen und hat das auch bereits getan. Einen weiteren Film wäre dann sicherlich auch noch mal das zweigeteilte "The Gates/Take Me To The Water" wert, wo spätestens im zweiten Teil noch mal richtig die Post abgeht, bis zum Schluß mit dem Traditional "All The Pretty Little Horses" das Album mehr als versöhnlich und fast schon erleuchtend ausklingt.
Es mag jetzt abgedroschen klingen, doch genau so ein Album wie es Saint Judas darstellt, braucht den Herbst und der Herbst braucht dieses Album. Wer jetzt zuletzt fragt, was denn nun das ganze mit dem Akkordeon zu tun hat, höre und sehe bitte "Coyote":

Freitag, 8. Oktober 2010

Anna Calvi

Frankie Laine war der Erste, Edith Piaf kam ein bisschen später.
Jetzt gut 50 Jahre später taucht Anna Calvi auf und haucht "Jezebel" wahrlich neues Leben ein.
Düsterromantik mit kraftvollen Drums, eine Stimme voll von süßem Gift, eine Betörung zwischen den Welten:



Wenn das im kommenden Jahr anstehende Album nur halb so gut wird wie dieses wahnsinnige Cover, könnte der Bänkelsänger einen ersten sehr ernstzunehmenden Kandidaten für die Hitliste 2011 haben.

Dienstag, 5. Oktober 2010

My monthly Mixtape: Oktober


Das Bänkelsängermixtape im Oktober ist beherrscht von graugrünen, manchmal auch rotgoldenen Tönen, die das Zwielicht lieben und auch mal die ein oder andere Sturmböe bevorzugen. Meistens verstecken sie sich allerdings zwischen den kahler werdenden Bäumen und huschen mit viel Gefühl und Seele vorbei. In Kürze gibt's dass dann auch wieder bei www.drdvnyg.de zu hören, jetzt soll uns erst mal Mat Sweet von Boduf Songs auf die kalten Folgewochen einstimmen:

 1) Smoke Fairies – Summer Fades
2) Boduf Songs – Bought Myself A Cat O Nine Tails
3) J. Tilman – Three Sisters
4) Leif Vollebekk – Don’t Go To Klaksvik
5) Theodore – I Won’t Be A Stranger
6) Cath & Phil Tyler – Lady Gay
8) Niall Connolly – America
9) Skywatchers – Keep Watching The Sky
10) Junip – In Every Direction
11) Interpol – Always Malaise (The Man I Am)
12) Deine Lakaien – Six O’Clock
13) Edwyn Collins – Bored
14) Grinderman – Kitchenette
15) The Zombies – Brief Candles
16) Duncan Browne – Dwarf In A Tree (A Cautionary Tale)
17) Harpers Bizarre – Peter And The Wolf
18) Phil Ochs – Outside A Small Circle Of Friends
19) Nick Garrie – Evening

Sonntag, 3. Oktober 2010

Skywatchers



Der bestirnte Himmel über mir.

So beschaulich wie sich die ersten Töne des Openers "Dead Flowers For Her" in den Raum schälen bleibt das Debutalbum der Engländer aus Sheffield und Colchester nicht immer. Aber so gut wie dort mit flächengreifendem Gesang, ganz ähnlich den artverwandeten I Am Kloot und breiten, aber eleganten Gitarrenmomenten verfahren wird, bleibt es fast das ganze "Skywatchers Handbook" über.
Einem Ausflug an sphärische Grenzen gleichkommend, setzen die Skywatchers auf breit angelegte Arrangements, unterstützen diese wie im elegischen "Soul Baptist" mit allerlei Flöten und blubbernden Synthesizern. Das träumerische "The Curious Village" überzeugt wiederum mit leidendem Saxophon und Wehmut in der Stimme Kervin Pearces' und schickt Musik und Gedanken in fern entlegene Gegenden. Diese Sehnsucht nach Ferne, dieses den Kosmos umarmende ist sowohl Name als auch Programm der gesamten Platte ohne dabei blindlings abgehoben zu wirken oder ins esoterische und übernatürliche abzudriften.
"Serves Me Right" lässt dann zum ersten Mal ein wenig die Handbremse los, unterstützt von unruhigem Schlagzeug macht es sich auf den Weg zu den Sternen um spätestens vom darauffolgenden "The Lunar Tune" wieder auf den Boden zurückgeholt zu werden. Mit dem Blick in die wolkenlose Nacht zwitschert es hier an allen Ecken, schwärmerisch wird dem Mond ein Liebeslied gewobe. Mit Kopf im Nacken, immer pendelnd zwischen Himmel und Erde wird dann auch zum Ende des Albums hin, der Blick nicht mehr gesenkt, "Keep Watching The Sky" als letzter Punkt, als Sternzeichen wagt als Titelstück noch mehr Fülle und verabschiedet sich gleichermaßen weich wie bestimmt in weit entfernte Welten.

Freitag, 1. Oktober 2010

Hitparade - 2010 Vol III




Viel hat sich ja nicht getan innerhalb des letzten Quartals, was wahrscheinlich daran liegen mag, dass der Sommer ja doch eher veröffentlichungsschwächer daher kommt. Immerhin haben sich zwei Neuzugänge in den Top Ten platziert und mindestens Platz 11 ist auch auf einem guten Weg dorthin.

1. Sam Amidon - I See The Sign
2. Josh Ritter - So Runs The World Away
3. Anais Mitchell - Hadestown
4. Joanna Newsom - Have One On Me
5. Nina Nastasia - Outlaster
6.
Shearwater - The Golden Archipelago
7. Marc Almond - Varieté
8. Hans Unstern - Kratz Dich Raus
9. Arcade Fire – The Suburbs
9. Gisbert Zu Knyphausen - Hurra! Hurra! So Nicht
10. Erland & The Carnival - Erland & The Carnival
11. Niall Conolly – Brother, The Fight Is Fixed
12. Lone Wolf - The Devil & I
13. Tocotronic - Schall & Wahn
14. The National - High Violet
15. David Karsten Daniels & Fighting The Big Bull - I Mean To Live Here Still
16. Wovenhand - The Threshingfloor
17. Owen Pallett - Heartland
18. Strand Of Oaks - Pope Killdragon
19. Skywatchers – The Skywatchers Handbook
20.
Horse Feathers - Thistled Spring

…und auch bei den Songs sind nur wenige kleine, aber feine Neuzugänge zu verzeichnen, blutig ist’s immer noch, aber ein wenig gemäßigter:

1. Gisbert Zu Knyphausen - Kräne
2. Nina Nastasia - This Familiar Way
3. Hans Unstern - Paris
4. Sam Amidon - How Come That Blood
5. Strand Of Oaks – Sterling
6. Josh Ritter - Folk Bloodbath
7. Lone Wolf - We Could Use Your Blood
8. Marc Almond – The Exhibitionst
9. Lost In The Trees – Walk Around The Lake
10. Niall Connolly – America

Den Lektüreuntermaler gibt’s dieses Mal vom wunderbaren Marc Almond: