Sonntag, 28. November 2010

Fern Knight

In und aus dunklen Kammern.

Es bedarf keiner prophetischen Weitsicht, um sich die Themen und Stimmungen, die Fern Knight auf ihrem vierten Album "Castings" präsentieren, vorstellen zu können. Spinnwebendurchzogene, verwobene Folkarrangements, die an psychedelische Kunstwerke aus den 60er und 70er Jahren erinnern. Vielfältig mit Streichern, Bläsern, Harfen und sontigem Instrumentarium angereichert. Volkstümlich, sagenhaft, wildromatisch: allein Margie Wienk setzt ihre Stimme wie eine Loreley ein, ständig bereit den nächsten wackeren Seemann zu ködern, voll von seltsamer Betörung und doch glasklarer Prägnanz.
Fern Knight sind auf "Castings" allerdings auch so progressiv wie nie. Das Wechselspiel kunstvoller Instrumentalpassagen und abenteuerlichen Erzählungen aus länngst vergangenen Tagen ist fein ausgefeilt. Das komplett ohne Worte auskommende "Cave Of Swords" wird so erzählerisch, das man sich sehr schnell in den Geschichten verliert und fast schon erstaunt wahrnimmt, dass ein nächster Song mit noch mehr Wagemut oder Feinsinnigkeit vorgetragen wird. Man merkt "Castings" auch an, dass hier noch stärker als bei den früheren Werken Bezug zu den progressiven Folkbands der 70er Jahre gesucht wurde. Das lautmalerische "Eye Of The Queen" erinnert wie nichts zweites an Sandy Denny oder die Incredible String Band, der stürmische Anfang "From Zero To Infinity" lässt Pentangle wiederauferstehen und "Epitaph" steht als King Crimson-Cover sowieso als Paradebeispiel parat.
Es ist Mischung aus so vielen Versatzstücken, die "Castings" zu einer Reise in die Vergangenheit werden lässt, auf die man sich gerne begibt. Mit jedem neuen Takt lässt sich ein weiteres spannendes musikalisches Element entdecken, ob mittelalterlich anmutende Blechbläser, versonnene Gitarrenpickings wie aus einem halluzinierten Tagtraum oder barocke Sangesfreude.

Ein Stückchen Restsonne für den Winter, auch wenn's thematisch durchaus dunkel wird:

Mittwoch, 24. November 2010

Jamie Woon

Was für ein wunderbares Video.
Ein Nachtspaziergang in herrlichen grau-blau-grünen Schattierungen, ein hypnotischer Beat und eine Stimme mit jeder Menge Schmelz: Jamie Woon bringt die Nacht zum Klingen und stimmt ähnlich wie Anna Calvi im letzten Monat bereits vortrefflich auf 2011 ein. Auch hier gilt: wird das Album nur halb so gut, wie dieses fabelhafte Video und die so ungeheuer einnehmenden Sounds, dann hätten wir schon 2 Newcomer, die im nächsten Jahr ganz oben mitspielen.

Sonntag, 21. November 2010

Hits von gestern: Marianne Faithfull - The Ballad Of Lucy Jordan

Fundgrubenzeit: wieder mal entpuppte sich die Chartshow auf RTL als Erinnerungshilfe. So richtig kennengelernt habe ich die traurige Ballade aber interessanterweise über Reinhard Mey, der es auf irgendeiner seiner Luve-Aufnahmen zumindest mal erwähnt, wenn nicht gar zitiert oder gecovert hat (Hilfestellung erwünscht).
Jetzt lassen wir aber mal die gute Marianne zu Wort kommen:

Freitag, 19. November 2010

Man's Gin




Ein Schlückchen in Ehren darf niemand verwehren.

Schon gar nicht, wenn es sich bei dem Schlückchen um ein sehr eigenwilliges Gebräu namens Man's Gin handelt und mindestens so hochprozentig wie das namensgebende Wacholderdestillat ist.
Die Männer hinter Man's Gin heißen Erik Wunder, Josh Lozano und Scott Edward und vor allem Wunder hat eine eher deftigere musikalische Vergangenheit, kommt er doch von den Black Metallern von Cobalt. Mag sein, dass deren letztes Album "Gin" bei der Namensgebung keine ganz unentscheidende Rolle gespielt hat.
Doch nun zum Debut "Smiling Dogs". Kein Metal, kein Geschrei, keine Verkleidung sondern purer ehrlicher und glasklarer Americana, gewürzt mit einem Hauch Gothic Country. Songs wie "Free" oder auch "Solid Gold Telephone" sind darauf zu hören, einfache, mit nöliger Stimme vorgetragene Alltagsbeschreibungen, die sich allerdings auch gerne mal in simplen, aber doch ausufernden Instrumentalpassagen verlieren dürfen. Vor allem bei letzterem punkten das herrlich akzentuierte Piano und durchaus kraftvollen gemischten Vocals. Das zweigeteilte "Nuclear Ambition" ist da von eher nüchterner Sorte. Verschleppte, staubtrockene Gitarrenklänge leiten den ersten, sehr amerikanischen Part ein, manch einer mag sich an den staubigen Roots- und Grunge-Rock Alice in Chains erinnert fühlen. Der zweite Part nimmt die begleitende Melodie auf, lädt aber zügig ein Chello zum Stelldichein ein, es wird aus voller Kehle gesungen und plötzlich mag man sich eher einen hübschen Bourbon denn den namensgebenen Seelenwärmer hinter die Binde kippen.
Es ist das leicht unheilschwangere, benebelte was "Smiling Dogs" strändig begleitet. Natürlich darf hier auch die klassische Ballade nicht fehlen, deren Platz hier von "The Death Of Jimmy Sturgis" eingenommen wird und bei der Erik Wunder dem stimmlich artverwandeten Eddie Vedder gar zu nah kommt. "Hate.Money.Love.Woman." ist dann wieder beste Americana-Tradition, 3 Mann ans Lagefeuer und los gehts. Den Chorus kann man nach 2mal hören mitsingen, geschunkelt wird sowieso und wenn das Feuer runtergebrannt ist und das Feuerwasser nur noch sanft in der Kehle brennt, darf dann auch beherzt geflucht werden: "Doggamn"
Der heimliche Hit verbirgt sich übrigens reichlich am Anfang von "Smiling Dogs": "Stone On My Head" ist geradezu prädestiniert, das Aushängeschild von Man's Gin zu werden: galoppierend wie ein junger Mustang und wärmend wie die gleißende Wüstensonne.

Der Soundtrack für einen ungeschriebenen Western:

Dienstag, 16. November 2010

Emily Jane White



Bittersüßer Nachtschatten.

Emily Jane White hat noch nie das kleine, bezaubernde Folkmädchen gegeben. Schon die ersten beiden Alben "Dark Undercoat" und "Victorian American" waren von solch tiefer Schwärze, dass einem angst und bange werden konnte.
"Ode To Sentience" macht da keine Ausnahme. Zehn Songs in stimmungsvollem Schwarz gehalten, die mal mehr mal weniger zurückhaltend zwischen innerem Monolog und kraftvollem Seelenstriptease hin und her changieren. Im Opener "Oh Katherine" sorgen schmeichelnde Streicher noch für einen Hauch von friedvoller Idylle, beim folgenden "The Cliff" werden schon andere Saiten aufgezogen und das im wahrsten Sinne des Wortes. Der für White eher untypisch kraftvoll, von rythmisierenden Gitarren gestaltete Song birgt textlich Abgründe, wird hier doch weniger der landschaftliche Aspekt, sondern eher der gezielte Sprung nach unten erwogen.
Ähnlich wie bereits früher im Jahr Nina Nastasia auf ihrem wunderbaren Album "Outlaster" gelingt White ein Spagat zwischen Düsterromantik und verklärtem Realismus, der jedoch weniger kratzbürstig daherkommt.
"Black Silk" mit seiner nervösen Gitarrenbegleitung und dem fast stoischen, unbeeindruckten Gesang breitet sich wie ein Teppich aus, sanft schimmernd, in weichen Wellen geschlagen. Noch behutsamer, wenn auch wieder wehmütiger pendelt "The Dark Oak" im 6/8-Takt daher, Walzer und seien sie noch so verstörend und unnahbar, scheinen ein großes Thema für die diesjährige Folkmode zu sein. "I Lay To Rest" fängt dann kurzweilig, fast wie Joanna Newsoms "Good Intention Paving Co." an, wiederum schwingen pendelnde Töne, streiten mit einschneidenden Streichern um die Vorherrschaft, bis dann dann das Klavier das Szepter ergreift und allem eine surreale Atmosphäre einhaucht.
Man mag Emily Jane White sicherlich ein gewisses Mal an Kalkül, vielleicht sogar Berechnung unterstellen, schließlich wandert "Ode To Sentience" nahezu über die gesamte Länge eher durch als über das Nebelmeer, ein wenig mehr einfallende Sonnenstrahlen, wie im Schlußteil zu "Clipped Wings", dürften es dann schon sein.
Während "The Preacher" und "The Law" fast schon eine Spur konventionell erscheinen, lässt es White in "Requiem Waltz" und "Broken Words" noch mal richtig krachen, zumindest immer im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Der namensgebenden Totenmesse gleich, oszilliert der Walzer zwischen Trost und Traurigkeit, bändelt mit osteuropäischer Folklore an, entschwebt aber dann doch in die Sphären des Überirdischen, nicht zuletzt weil White ihrer Stimme ansprechendes Feuer verleiht.
"Broken Words" wiederum erweist der Steel Guitar Referenz, lässt die aufgekommene Traurigkeit zumindest ein Stück hinter sich und fühlt sich dann doch eher verwurzelt als losgelöst an.

Dicht, dämmrig, durchdrungen, aber ein paar helle Strahlen kommen durch.

Samstag, 13. November 2010

El Boy Die



Folk oder nicht Folk, das ist hier die Frage.

El Boy Die sind seltsam. Seltsam zuallererst da es heißen muss: El Boy Die ist seltsam. Ein inkognito musizierender Irgendwer aus Frankreich schart für ein Album, welches im Grenzland von von A Whisper In The Noise, Bodies Of Water und Matt Elliott wildert, zahlreiche, meist frankophile Musiker (unter anderem Herman Dune) um sich und ergötzt sich an deren Klangvielfalt.
Da ist zum einen das mit kindlicher Stimme einladende Intro "This Is The Sound", knapp 50 Sekunden lang, die aber schnell den Charakter des Albums "The Black Hawk Ladies & Tambourines" umreißen. Weite, mit charismatischer Geige begleitete Songstrukturen, wie im stark an die ruhigen Momente von A Whisper In The Noise erinnernden "Moona Luna Tears" pendeln fast schwerelos durch den Raum. Ein wenig Gitarrengeplänkel in Zusammenarbeit mit seltsam kreiselnden Wellengeräuschen leitet dann wiederum "Journey Of A Lame Deer" ein, welches genauso klingt wie es heißt, leicht hinkend, ein Bein nachziehend und dennoch unermüdlich nach vorne strebend. Spätestens wenn im zweiten Teil des Songs ein kraftvoller Chor einstimmt, wird dann auch der Bezug zu den famosen "Bodies Of Water" klar. Wenn auch hier weniger mit offensichtlichem Pop-Struktur schaukeln sich dennoch verschiedene Stimmfarben zu bunten Naturgeräuschen in den offenen Himmel. Dieses Stimmengewirr bleibt dann auch ständiger Begleiter. "Under My Broken Tree" ist hier keine Ausnahme, wenn auch offensichtlich der "Hit" des Albums. Handclaps und Schlagwerk unterstützen die Melodieführung, welche bei der anheimelnden, aber dennoch leidlich unheimlichen Atmosphäre des Albums nie in den Hintergrund rückt. Geisterchöre untermalen ununterbrochen den Lauf der Musik, auch "Man Eagle" macht hier keine Ausnahme. Hier scheinen sich Woven Hand und Matt Elliott die Hand zu geben, einen Stammestanz aufzuführen und die Ahnen der Vergangenheit zu beschwören.
Es mag nicht verwundern, das "The Black Hawk Ladies & Tambourines" neben all dieser Magie auch vor manischer Bessenheit nicht zurückschreckt. Es macht eben auch süchtig, wie sich die immer eher betuchlich entwickelnden Stücke langsam auf den Weg machen, den Hörer eher einnehmen als direkt zu erobern, ihm ein Stück seines Geistes abspenstig zu machen, hierbei aber die Musikalität aller Teile niemals vernachlässigen.
Es entsteht ein gewagtes, aber immer ruhig dahinwogendes Ganzes, ein Tagtraum, ein, wie es im letzten Song so schön heißt "Pathway To Heaven". Bläser gleiten uns nach oben, verschwinden im heulend-wirbelnden Wind und versprechen Erlösung.

Folk ganz sicher, aber mit magischem Zusatz.

Sonntag, 7. November 2010

C. W. Stoneking



Sepia ist das neue Pink oder so ähnlich.

Jedenfalls wenn man es mit den Augen C.W. Stonekings betrachtet. Der hat nämlich in diesem Herbst sein zweites, "Jungle Blues" betiteltes Album in Deutschland veröffentlicht und räubert wahnsinnig tief in der musikalischen Mottenkiste.

Die 20er-40er Jahre des letzten Jahrhunderts sind sein Quell der Inspiration und was er da nicht alles gefunden hat. Selbst mit Gitarre bewaffnet und einer Stimme gesegnet, die Türen aus Angeln heben kann, nölt, knödelt, knarzt, summt, jault und jodelt er sich mit seinem "Primitive Horn Orchestra" durch eine variantenreiche Vaudeville-Show, mit augenzwinkernden Texten, frechen Anspielungen und mehr denkler "Blues-"Seele als man sich es im 21. Jahrhundert vorstellen kann.
Mit seinem frechen, ungestümen und einnehmenden Wesen lädt er zum "Jungle Blues", tatkräftig begleitet von blechernen Bläsern, kann aber auch anders, wenn er ein wenig ungelenk, aber dennoch mit dem Herz am rechten Fleck den Dschungel schlafen schickt, und zu klagender Klarinette und wiegender Begleitung das "Jungle Lullaby" anstimmt.
Der stampfend-swingende Calypso "Brave Son Of America" zeigt dann wiederum mit welcher Leichtigkeit der Wahlaustralier wenig angestaubte, wenn auch durchaus relevante, kritische Töne aufgreift und das Rad der Zeit im Kopf umzulegen wersucht. Es scheint im diebisches Vergnügen zu bereiten, den damals durchaus brisanten Texten eine neue, angemessen ironische Note zu verpassen ohne übers Ziel hinaus zu schießen.
Bei "I Heard The Marchin Of The Drum" findet man sich dann plötzlich in einer Jazzbar in New Orleans wieder, hier wird das klassische "Alexander's Ragtime Band" zitiert, die Trommel gibt die Marschrichtung vor und ab geht die Post. Es sind aber sicherlich vor allem die lateinischen Rhythmen, die "Jungle Blues" zu einem ausergewöhnlichen Hörerlebnis machen, auch bei "The Love Me Or Die" drängen sich diese nach vorn, Voodootrommeln rauschen im Hintergrund und eine betrunkene Tuba tanzt in Schlangenlinien mit quietschenden Trompeten und Klarinetten um die Wette.
Es ist ein zauberhaftes Vergnügen in den historischen Musikkosmos C.W. Stonekings einzutauchen, dem der Drahtseilakt Tradition und Moderne wie bei einem gelungenen Zaubertrick so unverschämt gut zu verknüpfen, das es eine wahre Freude ist.

Der Vorhang lüftet sich, der Künstler betritt nun selbst die Bühne:

Dienstag, 2. November 2010

My monthly Mixtape: November

Ein Gebräu von enthusiastischem Indiefolk und knorrigem Gothic Country, ein Quentchen Brit-Folk, zwei Messerspitzen Arcade Fire und einen Fingerhut voll Soul, fertig ist das diesmonatige Mixtape. Selbstverständlich ist es auch wieder beim wundervollen "Radio der von Neil Young Getöteten" zuhören, ein wenig Zeit wird da wohl allerdings noch ins Land gehen. Ungeduldige dürfen sich aber gerne mit dem vorzüglichen übrigen Programm beschäftigen, es lohnt sich.

01 My Jerusalem - Sweet Chariot
02 Prince Of Assyria - Another Love Song
03 Ben Weaver - Grass Doe
04 Avalanche City - The Citizens
05 Munly & The Lupercalians - Petr
06 Mark Growden - Coyote
07 Sufjan Stevens - Vesuvius
08 Skywatchers - Soul Baptist
09 I Like Trains - A Father's Son
10 The Strange Death Of Liberal England - Rising Sea
11 Broken Records - A Darkness Rises Up
12 My Heart belongs to Cecilia Winter - Skeleton bBride
13 Emily Portman - Tongue-Tied
14 Phil Ochs - Flower Lady
15 Belle and Sebastian - I Want The World To Stop
16 Aloe Blacc - I Need A Dollar
17 David Geddes - Run, Joey Run
18 Editors - It Ain't Me Babe

...und nach, vor oder auch während der Lektüre darf als Appetizer ein wohlfeiles Video nicht fehlen: