Montag, 30. März 2015

Hitparade 2015 - Vol. 1



Da war doch mal was? Ich habe nachgeschlagen, zuletzt im Sommer 2012 hatte ich eine Quartalshitparade, in der ich meine Albumlieblinge der vergangenen 3 Monate mal in Reih und Glied gebracht habe. Überdies nannte ich noch einiges wohlfeiles Liedgut beim Namen, welches sich zwar auf den Bänkelsängermixtapes tummeln könnte, das aber durchaus noch mal Erwähnung ob dessen Güte finden sollte. Gut drei Jahre später gibt es nun mal wieder so eine erste Liste, die in zehn Alben bereits zeigt, welch fulminate Jahresendabrechnung erwartbar werden könnte. Doch nun genug der Vorrede, hier sind die Platzierungen im Einzelnen:

01 Daniel Knox – Daniel Knox
02 Susanne Sundfør – Ten Love Songs
03 Father John Misty – I Love You, Honeybear
04 The Decemberists – What A Terrible World, What A Beautiful World
05 Matthew E. White – Fresh Blood
06 Ryley Walker – Primrose Green
07 Jessica Pratt – On Your Own Love Again
08 Laura Marling – Silent Movie
09 Sufjan Stevens – Carrie & Lowell
10 Dagobert – Afrika

Scheint vor allem Platz 1 aktuell wie in Stein gemeißelt zu sein, wechseln die übrigen Platten teilweise munter je nach Tagesform durch und auch jenseits des aktuell zehnten Platzes stehen schon weitere Alben Gewehr bei Fuß.

Der Tradition folgend kommen nun noch 10 Songs, die entweder nicht auf den oben genannten Alben zu finden sind, gar kein Albumbestandteil sind oder eventuell gar nicht im entsprechenden Zeitraum erschienen sind, dem Bänkelsänger aber trotzdem einen Heidenspaß bereiten. Als da wären:

DM Stith - Imperial Leather
Benjamin Clementine - Nemesis
Natalie Prass - It Is You
Jake Xerxes Fussell - Push Boat
The Slow Show - Dresden
John Southwood - Niagara Falls Is Not Niagara Falls
Daughn Gibson - Shatter You Through
Lois - Before You
Will Butler - Anna
Love A - 100.000 Stühle Leer 

Selbstverständlich gibt es einen Ohrenöffner, der wie auch schon beim gestrigen Mixtape vom bisherigen Album des Jahres kommt und auch noch mal aufzeigt, wie vielfältig solch ein herrlicher Bariton klingen kann: 


Sonntag, 29. März 2015

My (monthly) Mixtape 2015/3



Das erste Quartal ist fast geschafft und somit wird es Zeit für eine dritte Mixtape-Bestandsaufnahme für 2015. Dieses Mal scheinen sich vier übergeordnete Themen in den 18 ausgewahlten Stücken zu verbergen. Zunächst verneigen sich einzelne Stücke mal mehr, mal weniger vor ihren historischen Vorbildern, wobei die Bandbreite hier schier unübersichtlich scheint, dann spielen ausdrucksstarke Stimmen eine Rolle, die vor allem düstere und gehaltvolle Baritone ins Rampenlicht stellt und man soll es kaum glauben, welche Unterschiede sich ausmachen lassen. Drittes Thema ist die instrumentale Virtuosität vor allem an den unterschiedlichen Instrumentensaiten, aber auch Streicher und diverse Tasteninstrumente werden heuer deutlich in den Fokus gehoben. Zuletzt ist es weniger Thema, vielmehr eine Feststellung, denn im Gegensatz zur Jahreszeit scheint die Dunkelheit zurück auf dem Bänkelsänger zu sein, auch wenn gerade Locas In Love etwas anderes versprechen: 

01. The Slow Show - Dresden
02. Champs - Vamala
03. Will Butler - Anna
04. Susanne Sundfør - Kamikaze
05. Laura Marling - Gurdjieff's Daughter
06. Courtney Barnett - Pedestrian At Best
07. Locas In Love - Da ist ein Licht
08. Yowler - Water
09. Ryley Walker - Primrose Green
10. Torpus & The Art Directors - Poem For A Friend
11. The New Atlas - Freight Train
12. José González - Leaf Off  The Cave
13. Whitehorse - Evangelina
14. Moses Luster and the Hollywood Lights - The Hangman's Door
15. Daniel Knox - Blue Car
16. Scott Matthew - Effigy
17. Matthew E. White - Feeling Good Is Good Enough
18. Dagobert - Das traurige Ende eines schönen Tages

Als Appetithappen nehme ich dieses Mal einen deutlichen Aspiranten für die Top Ten in der Jahresendabrechnung:


Montag, 16. März 2015

Moses Luster & The Hollywood Lights



Erlesenes Schummern.

Manch einer erinnert sich noch daran, dass als der Bänkelsänger vor nunmehr fünfeinhalb Jahren startete, dessen Hauptaugenmerk bei eher düsteren Folk- und Americana-Tönen lag. Inzwischen werden fast alle Spielarten kontemporärer und unabhängiger Folk- und Popmusik gestreift, auch vor experimentiellen Klängen und avantgardistischen Sphären- und Metallauswüchsen wurde nicht immer Halt gemacht, selbst Sprechgesang und Kabarett (wenn auch hier eher von finsterer Natur) durften so ihre Rolle spielen.

Mit dem neuen Album von Moses Luster & The Hollywood Lights kommt ganz entgegengestetzt zum Bandnamen mal wieder etwas Blaupausenmusik der ersten Stunde aufs Tablett. Mich hatte das erste Album "I'm  The Lion" schon überrascht, tauchte es doch weiland irgendwann irgendwo in den weiten Untiefen des obskuren Americanas auf und lehnte sich durch Stimme und Stimmung mal hier und mal da an und überzeugte vor allem durch eine Vielschichtigkeit die von ruppigem Countryrock bis hin zu halbseidenem Noirfolk reichte.

Das zweite Album barg dann nur noch vereinzelt Schätze, doch mit dem neuen Werk "The Hangman's Door" nehmen Moses Luster und seine Mannen wieder richtig Fahrt auf.  "Come Along With Us" heißt es dann auch folgerichtig und auf geht es durch einen holprigen Ritt, der wahlweise auf den spärlich beleuchteten Seitenstraßen Las Vegas oder gar in den verrauchten Hinterzimmern der Casinos spielen könnte. "I Got You" ist ein weiterer, mit zarten Frauenstimmen begleiterer Höhepunkt, so melodiös wie selten croont Luster über deutlich weniger waidwunde Wehmutsakkorde als zuvor.

Stimmlich wie immer im sinstren Schallraum beheimatet klingt er einmal wie ein versöhnlicher Tom Waits-Klon, aber auch Ähnlichkeiten an das Timbre eines Matt Berninger von The National schimmert wie im pianogetränkten "Coming Home" durch die dichten und spannenden Arrangements des Albums. Der Titeltrack wiederum wirbelt Wüstenstaub auf und atmet die Luft der großen Countryklassiker, "Sorrow Town" hätte hingegen auf den American Recordings von Johnny Cash auch keine schlechte Figur gemacht.

So spannt "The Hangman's Door" einen weiten Bogen, der einmal quer durch die amerikanische Tradition zu gehen scheint und nicht nur die funkelnden Plätze sondern auch die wenig gangbaren Nebenstraßen betritt. Ohren auf, hier kommt Moses Luster (von dem ausser einer sehr kurzen Biographie auf der Facebook-Seite immer noch kaum Lesbares im großen weiten Internet zu finden ist):



Sonntag, 15. März 2015

Torpus & The Art Directors



Frischer Wind aus Norden.

Zugegeben, ich kenne das erste Album der Band aus Niebüll (jetzt Hamburg) nicht, doch wenn es, wie im Promozettel vermerkt, stimmt, dass die Instrumentenanzahl auf "The Dawn Chorus" deutlich reduziert wurde, muss "From Lost Home To Hope" ziemlich überladen gewesen sein.Was allerdings auf dem neuen Album zu hören ist, ist vielfältiger, ausformulierter und in weiten Teilen sehr begeisternder Folkpop, der den Vergleich mit Genregrößen nicht scheuen muss. 

"The Dawn Chorus" ist zunächst einmal ein sehr abwechslungsreiches Album geworden, wechseln sich doch schnelle und gerne auch euphorisierende Nummern mit ruhigen, behaglichen Lagerfeuerschunklern ab. Zu Beginn fahren die Musiker hier deutlich mehr Geschwindigkeit auf als im Mittelteil, welcher durch das langsam nach vorne stolpernde "Don't Gather Roses" bewußt eingebremst wird und gerade durch diese sehr amerikanisch wirkende Entschleunigung zu den besten Nummern gehört. Doch Torpus & The Art Directors sind vor allem dann besonders stark, wenn ihre Songs ein bisschen aus dem Ruder laufen. Hat der Opener "In Hushed Tones" noch diesen gemäßigt nach vorne treibenden Folkrhythmus der Indiefolk-Klasse der vergangenen Jahre, darf es auf Albumlänge auch mal ein wenig mehr in Richtung klassischer Americana wie im nach Admiral Fallow klingenden "Sleeping On The Backburner" gehen. Das sehr hübsche Trio aus "Water", "From Holding Your Hands" und "Poem For A Friend" bedient sich wiederum aus dem Folkbaukasten, ohne formelhaft zu sein, schließlich darf bei einem laut mitgesungen, beim anderen den vielfaltigen Hintergrundinstrumenten gelauscht und beim letzten wiederum durchaus mitgelitten werden. 

Jetzt tummeln sich auf "The Dawn Chorus" allerdings auch ein paar Füller, wie das nett dahinplätschernde "Mirror Mirror", dass textlich eben auch nur hübsch und adrett daher kommt und sich keine Kanten oder Ecken leisten möchte. "Two Hearts" mit seinem Bläser-Entree schubst sich zwar kurz vor Schluß noch einmal ins Rampenlicht, doch insgesamt fehlt den letzten Nummern so ein bisschen der Schwung der ersten halben Stunde, den auch das an Frank Turner erinnernde "Love It As It Comes" nur noch bedingt wieder aufholen kann.

Ein sehr ansehnlicher Frühlingsbote ist das zweite (bzw. dritte, wenn man das selbstvertriebene Debüt hinzuzählt) ) Album von Torpus & The Art Directors auf jeden Fall geworden, und wer das jetzt nicht glauben mag, kann sich davon entweder live überzeugen,

 07.04.         Lübeck         Blauer Engel    
08.04.         Rostock     Mau Club    
09.04.         Jena         Café Wagner    
10.04.         Dresden     Beatpol    
11.04.         Berlin         Privatclub    
13.04.         Aachen         Musikbunker    
14.04.         Köln         Blue Shell    
15.04.         Osnabrück     Kleine Freiheit    
16.04.         Essen         Zeche Carl    
17.04.         Ulm         Club Schilli    
18.04.         München     Milla    
19.04.         Freiburg     Waldsee
20.04.         Nürnberg     Club Stereo
22.04.         Hannover     Lux
23.04.         Hamburg     Grünspan
24.04.         Husum         Speicher    
25.04.         Bremen         Tower    
12.-13.6.     Dalhausen     T-Mania Festival

kauft sich das via Grand Hotel van Cleef erschienene Album oder hört zumindest mal den Ohrenöffner "Two Hearts" hier jetzt und direkt an:







Montag, 2. März 2015

Locas In Love




Nichts ist so wie es scheint.

Nach „Lemming“ und „Nein!“ hätte alles Mögliche passieren können. Locas In Love hätten sich auf ihren Lorbeeren ausruhen können und nach einiger Zeit so ein ganz schlichtes kleines Album mit weiteren 10-12 Songs aufnehmen können. Es hätten wieder diese feinen melodischen Momente werden können, die mal mehr mal weniger lakonisch, mal mehr mal weniger befindlich, mal mehr mal weniger nachdenklich sein hätten können.

Als nun aber „Use Your Illusion 3&4“ dieser Tage veröffentlicht wurde und schon bei der ersten Ankündigung klar wurde, das es sich dabei um ein lupenreines Doppelalbum handeln würde, schienen die Vorzeichen doch andere zu sein. Zunächst bleibt alles beim Alten. Die Stücke heißen „Wer weiß“, „Teenager“ und „Durch die Dunkelheit“ und erzählen von diesen kleinen alltäglichen Begebenheiten zwischen Dir und Mir, zwischen Hier und Jetzt und von Uns zu Euch. Dabei wird musikalisch, wie auch schon andernorts erwähnt, die Zitatemaschine angeworfen und ein funkelperlenschönes Amalgam ausgeworfen, dass seinen Charme im niedlich Unperfekten findet, seine Eingängigkeit in den wirbelnden Gitarren und sonstigen Instrumenten und beschaulichen Refrains und im wie immer fröhlichen zweistimmigen Refraingesang. Die Kölner gehen ihren Weg so konsequent wie nachvollziehbar weiter und klingen doch anders als auf den Vorgängerwerken. „Teile“ erzählt von Verlust und Gedankenverlorenheit, „Neue Sachen“ wiederum von Aufbruch und Wiederkehr. Deutlich abstrakter als zuletzt und doch gedanklich gegenständlich.

Zum Ende des ersten Teils nimmt die Melancholie überhand und schöpft die ohnehin schon starke Melodieseligkeit komplett aus. Wieder werden globale Themen in winzige Episoden zerhackt, mit Erinnerungen vermischt und zu einem zwingenden, aber nie allzu dringenden Gerüst verknüpft. Kein Wunder, dass im bereits kürzlich vorgestellten „Da Ist Ein Licht“ The Smiths zitiert werden, die in dieser Disziplin sicherlich immer noch die Meisterschaft innehaben.

Doch jetzt ist „Use Your Illusion 3&4“ ja nun mal ein Doppelalbum, dessen Brückenschlag vielleicht schon mit dem Abgesang „Grand Canyon (Wish You Were Here)“ eingeräumt wird, einem sonderbaren Field-Recording mit viel Natur im Vordergrund. Was danach folgt ist ein krautiges und instrumentales Experiment, das vor allem in den stillen Momenten funktioniert und die vier Kölner von einer gänzlich anderen Seite zeigt. Auch hier wird zitiert, erinnert und bezogen, jedoch in einem deutlich undurchsichtigen Rahmen, so dass den Stücken zwar eine gewisse Kunstfertigkeit attestiert werden kann, zuweilen fehlt aber der Extraschuß Würze und Wärme, der den erzählerischen Momenten der Band bislang immer zu Gute kam.

Sicher ist der zweite Teil, der sich auch von der Tracklist eher wie eine routenoptimale Planung durch die Kölner Innenstadt liest und wohl diverse Haltestellen der KVB bezeichnet, kein Fehlgriff, aber eben auch nicht wirklich der Weisheit letzter Schluß.

So bleibt „Use Your Illusion 3&4“ ein Wagnis, das es sich aber einzugehen lohnt. Wie sonst könnte der Albumtitel auch verstanden werden, denn auch ohne Text kann die langweiligste Illusion zur schönsten Imagination werden.