Dienstag, 5. April 2016

Um Ecken und über Kanten: The Cray Twins – The Pier



Ein gleichmäßiger Strom durchzieht das Debütalbum „The Pier“ von The Cray Twins alias Paul Baran und Gordon Kennedy. Zähes Knistern, grelles Jaulen, schrilles Heulen – ein langsames Kabinett von Geräuschen, die sich mal künstlich, zumeist aber ungemein lebensnah und natürlich im Vorder-, Mittel- und Hintergrund abwechseln. Die Szenerien der einzelnen Stücke neigen zur Verschmelzung und trennen sich doch nach und nach voneinander ab. Nimmt „Torshavn“ noch die gegenständliche Hafenkulisse auf und lässt den Blick auf ein geschäftiges Treiben erahnen, wird es spätestens bei „Fianuis“ abstrakter. Vom Wind zerteilte Klagelaute könnten auf die Ahnen der inzwischen verlassenen Insel North Rona deuten, auf der sich besagtes Fianuis einstmals befand, das an- und abschwellende Brausen verstärkt den Eindruck noch und lässt ein Gefühl von Ferne und Abgeschiedenheit zu.

Auf „The Pier“ loten Baran und Kennedy die Grenzen von Langsamkeit, Unnahbarkeit und Endlichkeit aus, sie lassen gewaltige Naturdrones bis in die Unendlichkeit wiederholen und erweitern sie noch durch minimale Störfeuer aus Field Recordings oder artifiziell erzeugten Glitches. Pulse und Echos, denen häufig durch die Verfremdung der erzeugenden Instrumente ein völlig anderes Klangbild geschaffen wird, wechseln dazu wie  im Titeltrack mit dem Sound schleifender Gläser, wirbelnder Gischt oder brechender Wellen. Texturen brechen auf „The Pier“ ausgetretene musikalische Pfade auf, in dem sie zum Beispiel im dreiteiligen „Duao“ zuächst ein simples Nebeneinander verursachen, dann aber im zweiten Teil Textfragmente hineinwinden und sich dann zuletzt in die schlichte und kathartische Repetition ergeben.

Nie ist sicher, ob sich die Klänge auf „The Pier“ nur rein zufällig der Stimmhaftigkeit annehmen, wie es „Harbour“ gleich zu Beginn weismachen will. Um so irritierender ist die unvermittelte „Song-“Orientierung in „Song From A Black House“, das mit einem Sacred Harp-Hymnus eröffnet und sich in einen winddurchzogenen Choral verwandelt. Zuweilen erinnert „The Pier“ hier an die deutlich weniger grenzenbefreite (aber nicht minder hervorragende) Landschaftsbetrachtung „Diamond Mine“ von King Creosote und Jon Hopkins, Baran und Kennedy gehen aber insgesamt gemeinsam mit ihren zahlreichen Gästen (u.a. BJ Nielsen, Ken Vandermark) deutlich konsequenter zu Werke und lassen ihre Sounds ohne Worte zu Landschaftsbestandteilen werden. So verpuppt sich „The Pier“, das am 21.03.2016 via Fang Bomb erschienen ist, zu einem ausgefallenen und originellen „Klang-“Bild, dessen tonale Erscheinung sich mühelos und mit beeindruckender Wirkung der Bildhaftigkeit seiner Titel unterordnet.

Samstag, 2. April 2016

Hitparade 1/2016



Zwei Mixtapes, eine wohlmeinende Rezension und jetzt schon eine erste Hitparade? Nun, dieses Jahr geht einfach viel zu schnell rum und irgendwie habe ich noch nicht so viel Muße gewunden, viel für den Bänkelsänger zu verschriftlichen. Dafür war ich aber ganz doll für AUFTOUREN aktiv und habe dort für 8 meiner 10 Top Ten-Plätze des ersten Quartals warme Worte gefunden. Interessanterweise habe ich in diesem Jahr bislang mehr folkferne als -nahe Musik konsumiert und wenn ich mir die Veröffentlichungen in der Vogelschau der kommenden Wochen so ansehe, scheint es hier immer mehr zu einem Gleichgewicht zu kommen. Vielleicht ist es ja tatsächlich so wie mit dem Schmecken, hier sollen sich ja auch die Vorlieben alle sieben Jahre ändern bzw. zumidest neu sortieren. Und der Bänkelsänger wird im September 7! Doch nun erst einmal zu den Plätzen 1-10, von denen es die Nummer 1 zwar schon im letzten Jahr in meine Endabrechung geschafft hat, doch da Marlon Williams offiziell erst in diesem Jahr in hiesigen Gefilden auf Tonträger zu erstehen war, habe ich hier mal eine Ausnahme gemacht.

01 Marlon Williams – Marlon Williams
02 Damien Jurado – Visions Of Us On The Land
03 Shearwater – Jet Plane And Oxbow
04 The Drones – Feelin Kinda Free
05 Holy Esque – At Hope’s Ravine
06 Trupa Trupa – Headache
07 Meilyr Jones – 2013
08 Isolation Berlin – Und Aus Den Wolken Tropft Die Zeit
09 Tindersticks – The Waiting Room
10 Bergen – Zeiten Für Kerle

Die Songliste ist wie gehabt eher ein Stimmungbild von Stücken, die sich nicht auf den oben genannten Werken befinden, aber mehr als einer Erwähnung bedürfen:


Apollo – Oceans II
Poliça – Lime Habit
Bosse – Nachttischlampe
David Ramirez – Harder To Lie
Matt Kivel – Jamie's
The Winterlings – Honeymoon In Baghdad
Albrecht Schrader – Leben In Der Großstadt
Pet Shop Boys – Twenty-Something
San Fermin & Sam Amidon – Shiver
Sturgill Simpson – In Bloom


Der Ohrenöffner kommt dann mal von Apollo, von dem ich mir in diesem Jahr dann auch mal ein Album wünschen würde: