Dienstag, 30. Juni 2015

Hitparade 2015 - Vol. 2



Seit den vergangenen drei Monaten haben es dann doch eine ganze Reihe von wahrscheinlichen Aspiranten tatsächlich in den zweiten Quartalsüberblick des Jahres geschafft, die Nummer Eins zu verdrängen war dann aber trotzdem knapp zu schwierig. Die Plätze hinter Daniel Knox haben dennoch den Wind zahlreicher Neuankömmlinge gespürt, allen voran den des wundervollen A Capella-Epos "Render" von A Roomful Of Teeth und den tieftönenden Kunstfolk auf "In Plain Speech" von Circuit Des Yeux.

01. Daniel Knox – Daniel Knox
02. Roomful Of Teeth – Render
03. Circuit Des Yeux – In Plain Speech
04. The Decemberists – What A Terrible World , What A Beautiful World
05. Father John Misty – I Love You, Honeybear
06. Susanne Sundfør – Ten Love Songs
07. Algiers – Algiers
08. Tocotronic – Tocotronic (das rote Album)
09. The Mountain Goats – Beat The Champ
10. Ryley Walker – Primrose Green
11. Matthew E. White – Fresh Blood
12. Binoculers – Adapted To Both Shade And Sun
13. Sufjan Stevens – Carrie & Lowell
14. Jessica Pratt – On Your Own Love Again
15. Brandown Flowers – The Desired Effect
16. Scott Matthew – This Here Defeat
17. Dagobert – Dagobert
18. My Morning Jacket – The Waterfall
19. Natalie Prass – Natalie Prass
20. Nadja Stoller - Earthbound

Bei den Songs haben sich vor allem die Lieblinge auf den bereits erwähnten Alben hervorgetan, doch auch darüber hinaus haben einige Exemplare in diesem Quartal häufiger den Weg gen Ohrmuschel erreicht und den Zustand beseelten Zuhörens, beschwingten Mitwippens oder im besten Fall freudvollen Mitsingens erreicht.

Hier sind einige der empfehlenswerten Delinquenten (die 10 aus dem ersten Quartal gelten weiterhin): 

John Joseph Brill - Pieces
The Dropout Patrol - Beautiful Noise
Scout Paré-Phillips - Coldest Blue
Home Blitz - Betton Hill
San Fermin - Woman In Red
Villagers - Hot Scary Summer
Isolation Berlin - Prinzessin Borderline
Jenny Hval - That Battle Is Over
Yowler - Water
The Deslondes - Fought The Blues And Won

Was wäre eine Hitparade ohne Ohrenöffner, der dieses Mal trotz aller musikalischer Güte sicher nicht vor aller Ohren Gnade finden wird:

 

Montag, 29. Juni 2015

Im Schnelldurchlauf: Folkvariationen



Bei solch einer Hitze ist die Aufmerksamkeitsspanne ja erfahrungsgemäß eher kurz, von daher lag ein "Schnelldurchlauf" nahe, um ein paar zuletzt gehörten Alben, die sonst vielleicht durchs Raster gefallen wären, doch noch den gebührenden Rahmen angedeihen zu lassen. 

Kathryn Williams - Hypoxia

Nicht nur die gespenstisch schimmernde Produktion ihres Freundes Ed Harcourt oder der Bezug auf Sylvia Plaths "The Bell Jar" machen "Hypoxia" von Kathryn Williams zu einem sehr hörenswerten Album. Es ist vielmehr das Zusammenspiel aus Atmosphäre und Klang, das die zumeist eher kurzen Songs zu kleinen Kostbarkeiten werden lässt. Das fängt bei "Electric" einem sehr sanften, aber dennoch eindringlichen Seelenstreichler an und führt über das lautmalerische und von Harcourt geschriebene "Cuckoo" hin zum "Tango With Marco", der sich fast schon aufreizend elegant in Szene zu setzten vermag. 




The Deslondes - The Deslondes

Über Facebook bereits kurz angerissen, ist das selbst betitelte Album von The Deslondes auch in Gänze ein kurzweiliges Vergnügen. Immer mit einem leicht verblichenen Antikschleier behaftet, drängeln sich die zwölf Stücke, die Roots-Rock, Americana, Honkytonk und Western-Swing im Blut haben, ganz schön ins Rampenlicht. Von der ersten Single "Fought The Blues And Won", die irgendwo in der Schnittmenge von Pokey LaFarge und C.W. Stoneking zu liegen scheint bis hin zu Herzschmerz-Szenarien wie dem wunderschönen "Louise" entwickelt sich auf "The Deslondes" das via New West Records erschienen ist, ein ziemlich einzigartiges und wahrlich historisches Musikdiorama.



Nadja Stoller - Earthbound 

Einnehmende Klavierakkorde eröffnen "Earthbound", das neue Album Nadja Stollers, das bereits im Mai diesen Jahres das Licht der Welt erblickte. Wie ein ruhiger, nicht immer völlig gelassen scheinender Fluß gleiten die zehn Kompostionen durch verwegen schimmerndes Zwielicht und münden nicht selten nach anfänglichem Scherenschlag doch wieder zusammen. Windschiefe, von Ferne tönende Flöten, nervöses Pizzicato und dazu eine unnachahmliche Stimme die von Joanna Newsom über Sharon Van Etten bis hin zu den Casidy-Schwestern viele Facetten darstellen kann machen "Earthbound" zu einem entdeckungsreichen und vielfältigen Zweitwerk.
 


Astral Swans - All My Favourite Singers Are Willie Nelson

Lo-Fi-Folk, dem ein wenig Psychedelic als Farbtupfer beigemischt wurde, der aber gleichermaßen auch ein paar Spritzer Jangle-Pop abbekommen hat, kommt aus Kanada, genauer gesagt aus Calgary und wird von Matthew Swann alias Astral Swans auf dessen Debütalbum "All My Favourite Singers Are Willie Nelson" zum besten gegeben. Die Einflüsse scheinen vielfältig, schielen doch so unterschiedliche Musiker wie Daniel Johnston, Nick Drake oder Dan Mangan um die Ecke und machen das Album bunt wie eine Patchworkdecke. 



Dienstag, 23. Juni 2015

My (monthly) Mixtape 2015/6



Der Juni ist noch 'ne knappe Woche alt, Zeit für das sechste Mixtape des inzwischen ziemlich abwechslungsreichen Musikjahres. Wie auch auf den früheren Ausgaben ist die Auswahl eklektisch, die Stimmungen überzeugen durch Variantenreichtum und auch die Anzahl an Neuvorstellungen und alten Bekannten hält sich beinahe die Waage, so dass dieses Mal eine ausgesprochen ausgewogene Mischung für Hörvergnügen sorgen darf. Fängt es zunächst durchaus wüst an, streift das Mixtape dieses Mal tonale Abgründe und ist trotzdem von vielfältigem Melodienreichtum durchzogen. Vielleicht tanzt man bei einen Refrains nur einen Sommer, dafür dann aber umso heftiger. Und so buhlen nicht nur der edle Cocktail-Pop (der allerdings auf dessen aktuellem Album die Ausnahme bildet) Daughn Gibsons, der Bombastschmelz Brandon Flowers oder die androgyne Unterkühlheit von Circuit Des Yeux um unser aller Gunst, auch der Rest überzeugt und -rascht vollends.

01. Desaparecidos - Golden Parachutes
02. Home Blitz - Betton Hill
03. Astral Swans - Beginning of the End
04. The Wooden Sky - When The Day Is Fresh And The Light Is New
05. Algiers - Black Eunuch
06. Die Zikaden - Ach komm, das ist doch so 19. Jahrhundert
07. The Deslondes - Fought the Blues and Won
08. Barna Howard - Indiana Rose
09. Prinzhorn Dance School - Reign
10. Brandon Flowers - Can't Deny My Love
11. Daughn Gibson - Shatter You Through
12. Christopher Owens - Music Of My Heart
13. Lone Wolf - Crimes
14. Circuit Des Yeux - Fantasize the Scene
15. Nadja Stoller - Little Dead Bird
16. Kathryn Williams - Tango with Marco
17. Jenny Hval - Sabbath
18. The Milk Carton Kids - The City of Our Lady
19. The Weather Station - I Could Only Stand By
20. Dawes - All Your Favorite Bands
21. Of Monsters And Men - Wolves Without Teeth

Der Ohrenöffner sollte ein anderer sein, doch zwingen mich die Veröffentlichungsmöglichkeiten zu einem anderen, jedoch nicht minder lauschenswerten Beispiel:

 


Montag, 22. Juni 2015

Aufgemerkt: Binoculers



Was es ist.

Binoculers ziehen die Kreise größer. Nicht nur, dass Nadja Rüdebusch sich mittlerweile mit Daniel Gädicke zusammengefunden hat und somit zur Band geworden ist, auch der Sound hat sich seit dem letzten Album „There Is Not Enough Space In TheDark“ deutlich erweitert. Manierliche, meist zwischen Tag- und Nachtgleiche oszillierende Folk-Pop-Songs waren es damals, deren Aufmerksamkeitsspanne aber dann doch eher kurz oder aber sehr unmittelbar zu sein schien. Auf „Adapted To Both Shade And Sun“ , dass dieser Tage via Insular erscheinen ist, nehmen sich Rüdebusch und Gädicke erheblich mehr Zeit, um ihre Klangvorstellung zu entwickeln.

Das führt zunächst erst einmal dazu, dass sich Stücke wie das geheimnisvolle, in bleiches Mondlicht getauchte „Moonbeams“ nur noch in einzelnen Passagen an kontemporäreren Folkstücken orientieren. Vielmehr bedienen sich die beiden an schwebenden Shoegaze-Pop, der breiter, flächiger und vor allem weicher scheint als bisher. Knisterte zuvor ein Kaminfeuer, vor dass man sich zu den anheimelnden Songs zurückziehen konnte, scheint einem jetzt der besternte Himmel entgegen, der Licht andeutet und verspricht, aber dann doch im Dunkeln tappen lässt.

Tupfer an Tasten und Gitarre verheißen lichte Reflexe, die nachdenklich machen ohne den Zeigefinger zu heben. So treiben sie Menschen gedanklich voneinander weg wie im intimen „Shine And Then Gone“ oder gar über die Grenzen des Vorstellbaren hinaus wie im darauf folgenden „Agravic“ dass mit seiner gemächlichen Gitarrenfigur sanft den Boden unter der Füßen verlieren lässt. Rüdebusch verzagt dabei nicht mit ihrer Stimme, vielmehr malt sie mit ihr in sanften Farben Empfindungen zwischen die Akkorde, die Wohlklang verheißen. Doch dieser Wohlklang scheut Binoculers eben nicht, auch die Schattenseiten des Lebens zu beleuchten.

Im sich nach allen Seiten streckenden „Bow And Arrow“ etwa, dem das dunkle und immer leicht flüchtige Timbre den Zweifel vergessen lassen macht oder gleich zu Beginn bei „Repeller Boat“, welches sich nah an den Dream Pop der frühen Beach House-Alben anschmiegt und die eigentlich eher düstere Thematik von der sich verflüchtigenden Magie eines Anfangs in schmeichelnde Töne hüllt. So fügen sich auf „Adapted To Both Shade And Sun“ Text und Ton zu einem halbdunklen Schattenwesen zusammen, dessen Worte so realitätsnah wie möglich und die dazugehörige Vertonung von eher zaubrischem Wesen ist. Dass sie dabei den Klang ihrer Stücke so weit erweitern, wie die konzentrischen Kreise eines über das Wasser gleitenden Steins erzeugt eine größtmögliche Annäherung. Teilweise so nah, dass sich die Wellen überschlagen, vereinen und zu einem wunderbaren Zusammenklang werden.