Montag, 30. Januar 2012

Aufgemerkt: Jim Moray



Britisches, allzu Britisches.

Den hätte ich mir mal schon früher näher zu Gemüte führen sollen. Mehr als eine flüchtige Bekanntschaft mit dem letzen Album Jim Morays, "Low Culture", war nicht drin. Irgendwie hatte es wohl nicht genügend Initialzündung geboten, gut dass ich mich dann mal etwas näher mit "Skulk" beschäftigt habe, dem neuesten Werk des umtriebigen Multiinstrumentalisten. Bislang heimlich still und leise über bandcamp veröffentlicht, darf man sich im April auch über einen physischen Release freuen, Grund genug schon einmal die Vofreude zu schüren.

Bereits der erste Song "The Captain's Apprentice" weist den Weg ganz gut auf die bevorstehende dreiviertel Stunde, Folk britischer Prägung, der zwar durchaus den ein oder anderen historischen Bezug sucht, alldieweil der Mut zum Experiment doch durchaus spürbar wird. So werden klassiche Themen und Figuren in neue Kleider geschneidert und zuweilen in eine nahezu bildhaft anmutende Szenerie gestellt. "Lord Douglas" wirkt hier zum Beispiel mit seinem stoischen Gitarrenpicking wie ein kleiner Alasdair Roberts-Klon und das altertümliche "Horkstone Grawe" mit seinen feinen Gesangsharmonien erklingt wie aus einer anderen Epoche und nutzt unter anderem den Support der wunderbaren Jackie Oates.
Immer dann wenn Moray seinen Folkstücken das Mehr an Raum bietet und entweder mit raumgreifender Eleganz wie bei "Seven Long Years" strahlende Blechbläser, Glockenspiel und Chorgesang zu einem pathetischen Rundumschlag ausholt oder fast schon aufreizend die musikalische Raffinesse seiner Mitmuskanten in den Vordergrund rückt wie beim Kinderlied "Hind Etin" erwacht "Skulk" aus seiner puren Reinheit  und erreicht genau dann seine zahlreichen Höhepunkte. Der Klaviereinstieg bei "The Captain's Apprentice" ganz zu Anfang ist so ein Moment, genauso wie es der erste Refrain des Fleetwood Mac-Covers "Big Love" einer ist.
Die Instrumentierung auf Morays fünftem Studioalbum ist darüber hinaus über jeden Zweifel erhaben. Er selbst virtuos und klangvoll an Stimmband, akustischer und electriktrischer Gitarre, E-Bass, Schlagzeug, Klavier, Orgel, Keyboard, Bouzouki, Banjo, Concertina und Melodeon schart neben Oates noch weitere Musiker der Brit-Folk-Szene um sich. Ganz dem Titel entsprechend schleicht sich "Skulk" in seiner ganzen Pracht unvermittelt an, um sich auch sicherlich auch nachhaltig im Ohr festzusetzen.


   Big Love by jimmoray

Sonntag, 29. Januar 2012

River Whyless



Rauschhaft naturumschlungen...

... sind wahrscheinlich Attribute, die "A Stone, A Leaf, An Unfound Door" von River Whyless (die sich früher mal Do It To Julia nannten) am besten umschreiben. Die Band, die sich selbst als Baroquefolk-Gruppe sieht kommt aus North Carolina und verarbeitet auf ihrem Album so ziemlich genau alles das, was dem Bänkelsänger lieb und teuer ist.

Die vier Musiker haben den so beliebten Indiefolk-Blumenstrauß lediglich in Nuancen erweitert und doch wirken die zehn Stücke eigenständig, abwechslungsreich und lassen sich nicht ohne weiteres mit Genre-Verwandten vergleichen. So strahlen die Songs fast immer eine innige Natürlichkeit aus, die vom beginnenden "Leaf" ausgehend das Album zusammenhält und organisch bis zum experimentierfreudigen "YU" durchhält. Womit wir sicherlich auch bereits das zweite kennzeichende Merkmal der Platte beim Namen genannt haben: denn vor allem in den längeren Stücken entwickeln die Amerikaner geradezu erzählerische Instrumentalpassagen, die den einzelnen Liedern neben genügend Seele auch Herz und Bauch mitgeben. Das merkt man vor allem beim herausragenden "Stone": hier knarzen Geige und Gitarre um die Wette, ein eigentlich leichtes Mumford & Sons-Therma verfängt sich in Streichergewitter und Tom Tom-Wirbel bis sich die fast schon post-rockende Atmosphäre wieder in die Spur fügt und zu einem vorantreibenden Americana-Kleinod wird. Das sich bei fast allen Songs Halli Anderson und Ryan O'Keefe am Gesangsmikrophon abwechseln und so für noch mehr Eigenartigkeit sorgen, braucht hier schon nicht mehr erwähnt werden.

Das dreigeteilte "Cedar Dream" bildet vielleicht so eine Art Herzstück des Albums, wobei zunächst der erste Part so eine Art Einschnitt darstellt. O'Keefe zittert sich nur zur Gitarre in einen Tagtraum und wird im zweiten Teil von Anderson zu mehr Tempo und Inbrunst verführt. Doch bevor sich das Stück komplett mit seiner Energie im Gehörgang festsetzen kann, schieben River Whyless drei weitere Lieder dazwischen, die sich klanglich zwar in das Gesamtkonzept des Albums einfügen, aber auch noch mal neue Facetten in das Klangbild hineinzaubern. Mit Glockenspiel und bestimmendem Rhythmus fodert der dritte albumtitelgebende Song "Unfound Door" zum Mitwippen, ja gar Tanzen auf, während sowohl "Pigeon Feathers" als auch "Widows Walk" die ruhigen, fließernden Momente auf virtuose Art bestreiten und sich dennoch nicht vor dem ein oder anderen Ausbruch scheuen. 
Kaum zu glauben, dass es sich bei "A Stone, A Leaf, An Unfound Door" um einen Erstling handelt, (wenngleich natürlich schon einige Jahre unter dem anderen Namen musiziert wurde) sind doch die Melodien ausgefeilt, das schmückende Beiwerk gezielt eingesetzt und die Stimmung einnehmend. So lässt man sich doch gerne mitnehmen und zu den weichen Violinklängen ein erstes Mal vom Frühling träumen. 

Man höre hier und lade bei Gefallen hier die erste Single herunter.

 

Sonntag, 22. Januar 2012

Beni Feldmann



Unverhofft kommt oft:

Ist es nicht schön, wenn man über Umwege Musik erhält, deren Urheber man sogar kennt bzw. mal gekannt hat. So geschehen bei Beni Feldmann, den die Anhänger irischer Folklore vielleicht von seiner Tätigkeit bei den "GoodnightFolks" her kennen. Seit November gibt es nun sein Solo-Debüt namens "Ich schreibe einfach einen Song!", dass sich stilistisch im weiten Feld des Folks tummelt und viele verschiedene Facetten zwischen Liedermacher, Folkrock und Volksmusik keltischer Prägung aufweisen kann. 

Vorweg gesagt, auf "Ich schreibe einfach einen Song" tummeln sich deutsch- und englischsprachige Eingenkompositionen sowie das durch Hannes Wader bekannt gewordene "Traum Vom Frieden". Dieses stetige Wechselspiel macht zum einen den Reiz der Platte aus, unterstützt aber auch ein wenig den Charakter, dass es sich um ein noch nicht hundertprozentig eingenordetes Debut handelt. Da treffen Liedermacher-Kabinettstückchen wie "hartabersehr", dass sich sicherlich an Mey oder Wecker anlehnen soll auf moderne Indiefolkstücke, wie das feine "Mr. Average", dass mit Geigenklängen und Zweitstimme von Sophia Spöler einen Höhepunkt darstellt. Insgesamt wirken die englischen Songs ausgereifter, verfügen über mehr Dynamik und Energie, was sicherlich auch mit den Wurzeln der musikalischen Gattung zusammenhängt. "Five Miles Out Of Town" ist quirlig, tanzbar und zaubert zu nahezu jeder Zeit ein Lächeln ins Gesicht, das vorhergehende "Traumwelt" ist sicherlich nicht schlecht, verfängt sich aber doch ein wenig zu sehr bei den historischen Vorbildern wie eben Mey und Wader. Dass das aber auch sehr gut funktionieren kann, zeigt er wiederum bei hübschen "Frühlingslied". Behutsam, ja gerade zu in traditonellem Gestus eines Bänkelsängers vorgetragen, sorgt Feldmann hier für Sehnsuchtsmomente, die in den restlichen eigenen deutschsprachigen Stücken manchmal ein wenig zu kurz kommen. Das kraftvolle "Sag es!" ist hier wiederum eher Ausnahme, und bildet mit dem zweistimmig vorgetragenen "Glad" so etwas wie die folkrockende Mitte des Albums. Text und Musik funktionieren hier im munteren Zusammenspiel, Bass und Geige begleiten beschwingt und rücken die Stücke nah an Volksfeste, auf denen sicherlich neben Bier auch Met getrunken und Handgeklapper geboten würde. 
Mit einer sehr klangvollen Version des Waderschen "Traum Vom Frieden" beendet Feldmann seine erste Odyssee im Alleingang und schlägt sich dabei sehr wacker. 
Musikalisch ist "Ich schreibe einfach einen Song!" toll, textlich schrammen vor allem die deutschen Texte manchmal ein wenig zu stark an der Befindlichkeitslyrik vorbei, dennoch darf man sich ruhig wünschen, dass Beni Feldmann weiterhin so manchen weiteren Song schreibt.

Samstag, 14. Januar 2012

Im Schnelldurchlauf: Toni Kater, Junes & Dan Freeman and The Serious

Lange schon kein...ach ich weiß. Dieses Jahr ist noch keine 2 Wochen alt und schon bin ich mit regelmäßigen Beiträgen im Rückstand. Deshalb gibt's jetzt auch als erste Neuvorstellungen für 2012 gleich einen Dreierpack, der sich komplett bei Solaris Empire tummelt. Fangen wir doch mal an:



Toni Kater - Sie fiel vom Himmel

Huch! Deutsche Popmusik auf dem Bänkelsänger? Kann das gutgehen? Jepp, es kann, wenn man sich dem neuen Album "Sie fiel vom Himmel" von Toni Kater widmet, dass am 20.01.12 erscheint. Beim ersten Hören erschließen sich die Songs noch nicht wirklich, manchmal züngeln die Stücke auch ein wenig mit befindlichkeitspoppigen Flammen nach Aufmerksamkeit, doch je länger man sich mit der abwechlungsreichen Produktion beschäftigt, desto mehr Facetten lassen sich entdecken. Eröffnet wird "Sie fiel vom Himmel" fast schon ein wenig glatt, doch spätestens beim erzählerischen "América" das Toni Kater gemeinsam mit Rudolf Moser von den Einstürzenden Neubauten singt, bekommt das Album Glut zugefächelt. Watteweiche Popsongs, die Kater auch mit Moser produziert hat, wechseln sich mit sanft experimentiellen Klängen ab, hier fallen vor allem "Raubtier" und "1 Land" positiv aus dem Rahmen, sowie der letze Track "Was sind das für Zeiten", der wiederum sein Soundgerüst von Schneider TM bekommt. Es ist schon erstaunlich, wie gut man das Thema Pop in Deutschland anpacken kann, ohne knietief im Kitsch zu versinken und dennoch Mut zu Gefühl, Pathos und Klangfülle zu vermitteln.

 



Junes - Don't Leave Me In Autumn

Drei Wochen später, nämlich am 17.02.12, erblickt dann "Don't Leave Me In Autumn" das Licht der Welt. Das dritte Album von Junes besteht aus feinen Indiepop-Songs, die es sich leisten können, den ein oder anderen Elektroschnipsel unterzubringen, ohne gewollt "hip" zu erscheinen. Hier und da klingt ein Geige mit, dann wieder zieht ein Stück wie "Crawling Over Me" am Gemüt und packt seine Hörer am Schlafittchen, um sich mit ihm gemeinsam gedankenverloren durch den Raum zu treiben. Manchmal scheint aber auch soviel Wohlklang zuviel des Guten zu sein. Die zwölf Stücke auf "Don't Leave Me In Autumn" sind wohltemperiert, haben dann aber doch hin und wieder eine Ecke oder Kante zu wenig, um sich im Vordergrund festhalten zu können. Wenn das aber durch Lieder wie das fabelhafte "Save Me" oder das gefühlvolle "Take Away My Pain" aufgefangen wird, kann man sich mit dem Album wunderbar in den Frühlingsabend träumen, und darauf hoffen, dass einen das Gefühl eben dann doch nicht im Herbst verlässt.

 



Dan Freeman And The Serious - I Lie A Lot

Zum Schluß noch der Vermerk auf den Tasmanier Dan Freeman, der bereits im vergangenen November sein Debut " I Lie A Lot" veröffentlicht hat. Freeman mischt seine Songwriterkunst mit Einflüssen aus Elektronik und Powerpop und schlägt auf seinem Erstling schon mal den ein oder anderen Haken. Ganz entzückend gelingt ihm das auf "Fall Slow", dass sich aufmerksamheitsheischend aus dem Albumkontext erhebt und selbst die guten Singles "Words Of Mine" und "Oh My" nach Punkten schlägt. Wer sich von den Livequalitäten des Musikers, der in Berlin Saxophon studiert hat und seine Bandkollegen an der Hochschule für Musik kennengelernt hat: darf sich auf folgende Termine freuen:

31.01.12 Stuttgart, zwölfzehn
01.02.12 Duisburg, Steinbruch
02.02.12 Hannover, Feinkostlampe
03.02.12 Chemnitz, Aaltra
04.02.12 Magedeburg, Moritzhof
06.02.12 Osnabrück, Mojo

Mittwoch, 4. Januar 2012

My Monthly Mixtape: Januar


...und wieder geht ein Jahr. Wie schön, dass es gerade jetzt noch mal Gelegenheit gibt, den ein oder anderen vergessenenen Hit aus 2011 Revue passieren zu lassen, manch Platte, die zum Ende des Jahres im Listenwahn unterzugehen droht noch mal in den Fokus zu rücken und schon die ersten zarten Knospen des beginnenen musikalischen Frühlings in Augenschein zu nehmen. Neben dem Mixtape hilft hier des Bänkelsängers' eigene Vogelschau, doch auch der Blick auf die Zusammenstellungen im klienicum und bei AUFTOUREN lohnen sich ob der Vielfalt an spannenden musikalischen Veröffentlichungen. 
Fangen wir also an zu lauschen und tauchen durch Frühlingswälder, lassen hin und wieder die ein oder andere Schneeflocke in der Hand zerschmelzen und hängen uns fröstelnd den warmen Mantel feiner Melodien um die Schultern:

01. Alcest - Autre Temps
02. King's Daughters & Sons - Lorelei
03. Kate Bush - Snowflakes
04. We Invented Paris - Kyrie
05. Tom Hanson - La La Land
06. The Bailey Hounds - Those Devils Don't Scare Me
07. Doug Tielli - Yes I Am Lonely
08. Bryan John Appleby - The Rider. The Horse. The Land
09. A Jigsaw - My Name Is Drake
10. Lauscher - Krähen Hassen
11. Neil Cousin - Carpathian Mountain March
12. Among the Oak & Ash - Sing Sparrow Sing (The Ballad of Walter Kohn)
13. The Reverend John DeLore - Many Moons Ago
14. Cosmo Jarvis - Gay Pirates
15. Nerve City - Sleepwalker
16. The Black Keys - Lonely Boy
17. Hanni El Khatib - You Rascal You

 wer den Bänkelsänger auch auf Facebook verfolgt, mag es bereits kennen, ich finde aber hier passt es auch noch mal hin. Sing, Hanni, Sing:


...und damit jetzt keiner sagt, ich hätte etwas vergessen, wünsche ich uns allen noch mal schnell ein frohes neues Jahr, hoffe auf unsäglich viel neue tolle Musik, verspreche dass auch dieses Mixtape wieder beim "Radio der von Neil Young Getöteten" läuft und wünsche mir den ein oder anderen netten Leser mehr!

Dienstag, 20. Dezember 2011

Hitparade 2011 - Und sonst?


Manche nennen es Vergessene Perlen, bei anderen ist es die Geheime Beute, wieder andere sagen "Honorable Mention": der Bänkelsänger sagt schlicht: Und sonst?

Auch in diesem Jahr sind wieder mal einige Alben nicht ausreichend genug gewürdigt werden gescheige denn, sie hätten einen eigenen Blogbeittrag, eine Mixtape-Erwähnung oder sonstige Verlinkung/Visualisierung oder Einbettung erfahren. So gibt's hier noch mal 30 Schmuckstücke, die sich (noch) nicht in der Hitparade festsetzen konnten, aber dennoch mehr als einen Hördurchgang wert sind. Und wie man es aus dem letzten Jahr kennt: Der Tellerrand war wieder mal zu schmal, als das man nicht das ein oder andere Mal ganz schön weit darüber geschaut hat.

Als da in diesem Jahr wären: Wunderbarer Dunkelfolk von Matt The Electrician, der vor allem mit dem wunderbaren "I Will Do The Breathing" und dem Titeltrack "Accidental Thief" zu überzeugen weiß. Sowieso trieben die Songwriter im Folkumfeld in diesem Jahr gar zahlreich ihr Unwesen, auch Neil Cousin zündet mit seinem "Bonfire" ganze Wohlfühlfeuer an und schafft mit "The Headless Hawk" gar den Einzug in des Bänkelsängers Lieder-Hitparade. The Bailey Hounds sind ein wenig ungestümer und streiten mit Of Monsters And Men um die Vorherrschaft im Mumford & Sons-Umfeld. Zurückgenommer, dennoch nicht minder eingängig wagte sich Grey Reverend aus dem Unterholz, um die besten Nick Drake-Gedächtnismomente ins Bewußtsein zu rufen. Genauso traditionell geprägt und mit einem Bein auf den Spuren von Sandy Denny machte sich Meg Baird an die Wiederholung ihres furiosen Solodebuts und mit einem Hauch Experiment im Gepäck sicherte sich Hezekiah Jones mit "Have You Seen My New Fort?"  und dem darauf enthaltenen "Little Room (Cannonball)" einen Platz bei den geheimen Lieblingsalben. Einer der schönsten nostalgischen Folksongs kam aus Skandinavien, Old Lost John sang von "Regina's Bar" und kann auch auf dem zugehörigen Longplayer "Bringing Down The Sky" mehr als überzeugen. Für die europäischere, genauer britischere Klangfarbe, empfiehlt sich in den verqueren Mix aus psychedelischem Pop und energiegeladenem Folk von The Dead Trees reinzuhören, noch britischer wird es dann mit dem nostalgischen und leidlich barocken "Witchazel" des Comedians und Folkers Matt Berry. Bleiben wir noch ein wenig auf der Insel und gehen mit David Gibb in seinen Garten um den Vögeln zu lauschen, sein "There Are Birds In My Garden" klingt als wäre es mindestens 40 Jahre alt und ist doch niemals antiquiert oder gar langweilig. 

Betrachtet man die vorangegangenen Alben noch als ziemlich "klassische" Folk-Kostbarkeiten, dürfen natürlich auch Grenzgänger nicht fehlen. Mary Hampton zum Beispiel, die auf "Folly" herzerweichende Folkballaden zusammenträgt und sie mit Zierrat aus Vogelgezwitscher und anderen Überraschungen dekoriert. Oder aber The Waterboys, die auf "An Appointment With Mr. Yeats" ihre lyrische Seite entdecken und mit "Politics" wieder Mal einen richtigen Hit landen könnten. Heavy Songwriting war auch noch, denn den Budenzauber, den Budam dieses Jahr auf "Man" veranstaltet hat, kann man definitiv nicht auf die leichte Schulter nehmen. Mit The Milk Carton Kids wäre dann noch eine ziemlich verführerische melange aus elegischem Pop und hymnischem Folk in dieser Kategorie zu erwähnen, und gleichzeitig der Brückenschlag zu weiteren Fundstücken in der Popschublade zu vollführen.

Einmal offen, springen auch schon Butcher Boy heraus, Twee Pop, so schön wie einstmals bei Belle & Sebastian, jedoch dunkler und romantischer interpretiert. Ebenso einnehmend, jedoch mit erstaunlich orchestraler Wucht meldet sich auch Loney Dear alias Emil Svanängen zurück, auf "Hall Music" konnte der ein oder andere Tränenzieher entdeckt werden und schließlich Susanne Sundfor, die noch eine Spur orchestraler, aber auch vor allem experimentieller auf "The Brothel" die Grenzen zwischen Pop, Klassik und Geräusch neu auslotet. 
Ausgehend davon ist der Schritt zum zwischen Licht und Schatten oszillierenden "We Must Become The Pitiless Censors Of Ourselves" von John Maus nicht weit, tief in den 80ern verankert und von geradezu bombastischer Kühle umhüllt. Diese Kühle findet sich auch, wenn auch pulsiernder auf "The Entire City", dem Album von Gazelle Twin, die ganz klar auf den Fußspuren vojn Fever Ray oder deren Hauptband The Knife wandeln. Nicolas Jaar wiederum greift eher die 80er Thematik auf und vermischt seine Slow-Motion-Beats mit New Order-Gedächtnis-Lyrik und empfindsamen Klangstrukturen. Die hier ereichte Weite von Klang und Raum wiederum leitet dann zu den shoegazernden Warm Ghost über, die von Haus aus den modernen Popmelodien greifen, die ein wenig vor sich hin mäandern, aber dennoch unglaublich einnehmend sind.
Wie bringe ich denn nun noch Chris Watson unter? Der hat schließlich mit "El Tren Fantasma" ein Album nur mit Field Recordings veröffentlicht, auif dem der Hörer einen Geisterzug durch Mexicio begleitet und dem man sich nach anfänglicher Skepsis nur schwer entziehen kann. Oder Implodes, die ihre Drone- und Ambient-Attacken mit mählichem Shoegazer-Momenten und organischer Gitarrenepik anreichern. Oder gar Grumbling Fur, die irgendwo zoschen ganz ganz ganz freiem Folk, Dekonstruktion und Rock-In-Opposition die zelte aufgeschlagen haben. Oder gar Lanie Lane? Und der Sprung ist jetzt wirklich mutig, denn die hübsche Dame hat eines der schönsten Rockabilly-Swing-Country'n'Western-Folk-Pop-Alben der letzten Jahre aufgenommen. 

Bleibt zum Schluß noch der Sprung nach Deutschland. Auch hier gab es für den Bänkelsänger einmal mehr die ein oder andere wirklich hervorzuhebende Entdeckung. Allen voran Lauscher mit ihrer Kreuzung aus Volkslied und Neofolk mit Cajon und singender Säge und Susie Asado, die sich an kunstvoll verschachtelten und anspruchsvoller Lyrik hoffentlich in viele Herzen musiziert haben. Zum Schluß muss ich aber auch noch 17 Hippies erwähnen, die auf "Phantom Songs" wieder mal alle guten Zutaten für ein Album gefunden haben, auf dem "Dorn" das Zeug zum Evergreen hat und, und das mag jetzt vielleicht ein wenig überraschen, Max Raabe mal ohne Palastorchester. Denn sein "Küssen Kann Man Nicht Alleine" pfeife ich bei jeder Gelegenheit und sein "Schlaflied" ist der passende Abschluss um den Hitparaden für 2011 ein würdiges Ende zu bereiten.

Montag, 19. Dezember 2011

Hitparade 2011 - Die Songs des Jahres




Weiter geht's! Nach den Alben kommen die Schmuckstücke unter den einzelnen Titeln und auch hier gilt: ohne Gewähr auf Vollständigkeit denn auf Bestand der Reihenfolge über das Jahresende hinaus. Da ich Jamie Woons "Night Air" bereits im vergangenen Jahr in die Top 5 gehievt hatte, durfte er dieses Jahr nicht mehr mitspielen, sonst hätte er sich wahrscheinlich wieder einen Platz in der erweiterten Weltspitze sichern dürfen. So sieht's aber auch ganz gut aus, die breite Genrestreuung spricht für sich:

1. Cult Of Youth – New West

  
 
2. Neil Cousin – The Headless Hawk

 
3. James Blake – Limit To Your Love


4. The Decemberists – June Hymn

 

5. Locas In Love – An den Falschen Orten



6. Tom Waits - Pay Me
7. Patrick Wolf – Together
8. Matt The Electrician – I Will Do The Breathing
9. Ulterior – Sex Wars Sex Cars Sex
10. Frank Turner – Glory Hallelujah
11. Radical Face – Ghost Towns
12. Jono McCleery – Wonderful Life
13. PJ Harvey – The Words That Maketh Murder
14. Other Lives – Tamer Animals
15. Old Lost John – Regina’s Bar
16. Silent Feature Era – The Horsebreaker
17. Cass McCombs – County Line
18. Blood Orange – The Complete Knock
19. Cult Of Youth – Cold Black Earth
20. The Mountain Goats – High Hawk Season

Sonntag, 18. Dezember 2011

Hitparade 2011 - Die Alben des Jahres



Jetzt wird's Zeit. Der 4. Advent scheint mir ein vorzügliches Datum zu sein, um sich nunmehr in den Listenreigen einzureihen.. Ganz so wie im vergangenen Jahr gibt es auf dem Bänkelsänger zunächst die Alben, von denen einem die Top 20 auch dieses Mal wieder bekannt vorkommen könnte, ist sie doch auch wieder bei AUFTOUREN zu goutieren. Dort darf man sich aber ebenso gerne an den übrigen Hitlisten erfreuen, besonders empfehle ich hierbei die geheime Beute, von dem das ein oder andere Fundstück sicherlich auch hier noch genauer unter die Lupe genommen werden können. 

Doch nun kommen wir zu den Delinquenten des Jahres:

1. Cult Of Youth - Cult Of Youth
DAS Lieblingsalbum. Ungestüm, garstig und herausfordernd: aber eben auch die besten Melodien des Jahres.

2. Tom Waits - Bad As Me
Der beste Waits aller Zeiten? Nun, vielleicht nicht ganz, aber sicherlich ist er mit "Bad As Me" so nah dran, wie schon lange nicht mehr.

3. Cass McCombs - Wit's End
Schöner wurde in diesem Jahr nur selten gesungen. McCombs bleibt seiner Linie treu und veröffentlicht nach "Catacombs" einen weiteren Meilenstein.

 4. James Blake - James Blake
Müssen alle mit. Blakes schneeflockenweicher Zukunftssoul ist Entschleunigung auf höchstem Niveau und gerade deshalb von erlesener Güte. 

5. Josh T. Pearson - The Last Of The Country Gentlemen
Ich wünsche mir Liebe mit Leiden, aber nur wenn Josh T. Pearson darüber singt. Sensationelles Solodebüt mit dem Mut zur Selbstzerfleischung.

6. Matt Bauer - The Jessamine County Book Of The Living
Gloomy Folk - welch herrlich passendes Genre-Konstrukt für ein neues Matt Bauer-Album. Ein Panoptikum in Grau und Schwarz und dennoch mit ganz viel Seele.

7. King Creosote & Jon Hopkins - Diamond Mine
Der Abendspaziergang an der schottischen Küste mischt sich ganz fabelhaft: warmherzige Stimmfarben treffen auf stimmungsvolle Fieldrecordings.

8. Laura Marling - A Creature I Don't Know
Drei sehr gute Alben in Folge und dass Neueste ist mit Abstand am Besten: Britisch, blutjung und doch schon so erwachsen: Marling schlägt Polly nach Punkten.

9. The Decemberists - The King Is Dead
Von der Progfolkoper zum Countryrock: The Decemberists überzeugen mit inniger Eingängigkeit.

10. Patrick Wolf - Lupercalia
Mehr Lust und Liebe gehen nicht. Herr Wolf und sein urbanes Liebesglück komplettieren die Top Ten.

Die folgenden Plätze sind teils ähnlich stark, Grund genug, hier die komplette Top 40 aufzuführen.

11. Locas In Love - Lemming
12. The Mountain Goats - All Eternals Deck
13. PJ Harvey - Let England Shake
14. Bon Iver - Bon Iver
15. Kreng - Grimoire
16. Frank Turner - England Keep My Bones
17. Jono McCleery - There Is
18. St. Vincent - Strange Mercy
19. Tu Fawning - Hearts On Hold
20. Declan DeBarra - Fragments, Footprints & The Forgotten
21. Björk - Biophilia
22. Blood Orange - Coastal Grooves
23. Jamie Woon - Mirrorwriting
24. Other Lives - Tamer Animals
25. Daniel Martin Moore - In The Cool Of The Day
26. Stephen Simmons - The Big Show
27. Fleet Foxes - Helplessness Blues
28. Bill Callahan - Apocalypse
29. Alexander Hacke & Danielle De Picciotto - Hitman's Heel
30. Silent Feature Era - This Old Leather Heart
31. Destroyer - Kaputt
32. Son Lux - We Are Rising
33. Thurston Moore - Demolished Thoughts
34. My Brightest Diamond - All Things Will Unwind
35. Cass McCombs - Humor Risk
36. Ulterior - Wild In Wildlife
37. Case Studies - The World Is Just A Shape To Fill
38. Brown Bird - Salt For Salt
39. Alexander Tucker - Dorwytch
40. Mark Growden - Lose Me In The Sand

Mittwoch, 14. Dezember 2011

Lauscher



Von Waldgeistern, Irrwischen und Rotkehlchen.

Wo ist die Grenze. Bei der kürzlich erfolgten Umfrage zum zweijährigen Bänkelsänger-Jubiläum wurde doch das ein oder andere Mal um neue Facetten innerhalb der musikalischen Ausrichtung gebeten. Besonders das gerne etwas diffus kategorisierte Genre Neofolk fiel bislang ein wenig aus dem Rahmen, Grund genug sich mit einer Veröffentlchung zu beschäftigen, die sich durchaus innerhalb dieser Grenzen tummeln darf.
Lauscher nennt sich das Duo aus dem westfälischen Hamm, "Auf der Pirsch" das zugehörige Album und überzeugt mit einer wagemutigen und variantenreichen Interpretation fast schon traditionell anmutendem Liedguts, angereichert mit allerlei überraschenden und begeisternden Einfällen. 

Die beiden unterschiedlichen Stimmen des Duos bestehend aus Christine Walterscheid und Dominique M. Täger ergänzen, duellieren und dopplen sich immer wieder neu: Mal jagen sie sich durch das reich instrumentierte "Krähen Hassen", mal klingen sie verträumt und erzählerisch wie im magischen "Irrwisch". Täger übernimmt in den meisten Fällen die manischen, gerne auch kraftvollen Parts, die seiner dunklen, kratzigen Stimme hervorragend stehen. Christine Walterscheid hingegen lässt ihr klares, spitzes Timbre mit Leichtigkeit durch das verwobene Geäst aus Cajon-Percussion, perlenden Gitarrensaiten und diversem musikalischem Beifang klingen. Leicht und dennoch mit gewisser Inbrunst erzählen die beiden Geschichten, die sich immer ein wenig mystifizierend um "Natürliches" und "Menschliches" drehen, ob sie nun zum "Fellbaum" ziehen, übermütig durch das "Seelenlaub" streifen oder sich den "Morgentau" von der Zunge singen. Geschichtenerzähler auf der Schwelle zwischen lyrischen Sprachbildern und bildhafter Akkuratesse sind die beiden und zeigen das bei ihrem Album nur zu deutlich. Ästhetisch untermalen sie ihre Stücke auch mal mit Alltagsgeräuschen und sorgen damit dafür, dass "Auf Der Pirsch" immer wieder eine neue Marschrichtung eingehaucht wird. Sicher, manchmal scheint die immer mal wieder eingestreute harsche und martialische Stimme Tägers grell gegenüber den weichen Tönen, wie sie im zauberhaften "Zauberei" eingesetzt werden. Es ist auch sicherlich nicht jedermanns Geschmack, dass manch einem der Texte ein wenig zu viel Symbolik hineininterpretiert werden kann und auch die Tatsache, dass es einem schon überdrüssig werden kann, immer und immer wieder von einer neuen, manchmal stark abstrahierten Metapher konfrontiert zu werden, in erster Linie überwiegt aber doch die Freude am Vortrag der beiden Musiker. 
Spätestens wenn Christine Walterscheid im abschließenden "Rotkehlchen" in eben die Rolle des launigen Singvogel schlüpft und mit wahrnembarer Beigeisterung den Alltag des kleinen Tieres lebensnah und mit überzeugender Frische vorträgt, hat man sich trotz der ausserordentlichen Länge des Albums bestens unterhalten gefühlt und entscheidet sich sicherlich schnell für einen wiederholten Durchgang, um wieder "auf die Pirsch" zu gehen. 
Fühlen, hören, geniessen:

   Krähen hassen by Lauscher

Sonntag, 11. Dezember 2011

The Bailey Hounds

Wetterleuchten.

Indiefolk-Bands mit dem beliebten Zutatenreigen aus pendelnden Gitarrenklängen, (Mund-)Harmonika, marschierendem Schlagzeug und dem ein oder anderen Orgel- oder Streichereinsatz gibt's wie Sand am Meer. Gute bis sehr gute schon weniger und von denen die es schaffen, den Bänkelsänger auf Albumlänge zu überzeugen gar nicht ganz so viele. "Along The Gallows" ist so ein Album, die vierköpfige Band dazu heißt The Bailey Hounds und stammt aus Philadelphia. 
Ein Blick auf die Tracklist des Albums verheißt bereits einiges. Von Teufeln, die einen nicht ängstigen sollen, liest man dort und genauso beherzt wie auch wachsam wie man sich im Angesicht von Dämonen und Geistern verhalten sollte, verhält es sich auch mit der Musik. Die an klassiche Countrysongs angelehnten Kompositionen werden von Sänger Ryan Petrillo mit verhalten heiserer Stimme vorgetragen, bekommen leichten Midtempo-Schwung und heben sich durch den Einsatz von Steel-Guitar-Klängen wohltuernd von artverwandten Musikern ab. "Resurrection Man" geht dann in die Vollen, ein knackig shuffelnder Beat löst die Handbremse und Petrillo gibt sich bestimmter und zorniger als zu Beginn. 
"Till The Morning Comes" schleicht sich wiederum eher von hinten an und bildet mit dem mystischen "Malleus Maleficarum" ein schönes Duett. Trotz der lieblichen Klänge suchen sich "The Bailey Hounds" aber schon immer Geschichten aus, in denen Zwielicht und zweifelhafte Gestalten zumindest die gedanklichen Hauptrollen übernehmen. Ob Teufel, Hexe oder Dämon: die Musiker spielen scheint's gern mit den dunkleren Mächten. Das aüßert sich dann vor allem im abschließenden "Devil Tree" was die ganze herausragende Bandbreite der Musiker aufzeigt: erst dunkel dräuend, ja fast schon erzitternd schält sich über sechs Minuten ein Kleinod heraus, dass dem Album einen mehr als würdigen Glanz verleiht.

...mal ausnahmsweise einen Song, den man auf dem Album vergebens sucht, der aber gerade weil man ihn anders kennen könnte, mehr als einfach nur ein Anspieltipp ist: