Jonas Carping – Cocktails &
Gasoline
Aus dem Fenster.
Vor geraumer Zeit durfte ich mich über
eine leicht schüchterne Anfrage freuen, in der ein gewisser Jonas Carping fragte, ob ich mich nicht ein paar Minuten seiner ersten EP
widmen wollen würde und ein paar Zeilen dazu verfassen wolle. Damals
sind es in der Tat nur ein paar wenige Worte geworden, doch vor allem
„Underground“ und Sideways“ lassen mich bis heute vor Wonne bis
ins Mark erschauen. Das nachfolgende erste Album „All The Time In
The World“ hielt den Erwartungen mehr als Stand und so war ich um
so fröhlicher als mich Anfang Oktober (immerhin schon vier Wochen her, von daher ein guter Grund für einen Scheunenfund) erneut eine Mail erreichte:
„Cocktails & Gasoline“ ist fertig.
Die Musik des schwedischen Songwriters
lebt vor allem von seiner Stimmfarbe. Dunkel timbriert, aber nie zu
rotweinschwer, angerauht, aber nicht kratzig, mit Inbrunst
vorgetragen, aber nie pathosgeschwängert. Das hat sich auch auf
„Cocktails & Gasoline“ kaum geändert, vielmehr scheint
Carping seine eigene Klangpalette intensiviert und aufgefächert zu
haben und bietet deutlich abwechslungsreiche Schattierungen an. Der
Sound der Instrumente hingegen hat immens an Kraft gewonnen und
auch die Intensität und Lautstärke verdichten sich auf Carpings
Zweitwerk konsequenter zu einem energischen Vortrag. Stürmen hier
vor allem die schnellen Americana-Stücke „The Last Approval“ und
das fulminant aufspielende „Higher Ground“ mutig voran, lassen
sich dennoch ruhige, ja beinahe kontemplative Passagen ausmachen.
„You Move In A Different Way“ zum Beispiel, das Carping zur
weichen Gitarrenakkorden intoniert und in mattierenden Farben von
einer beginnenden Entzweiung erzählt.
„Cocktails & Gasoline“ ist
genau wie das Vorgängeralbum durchzogen von sentimentalen
Stimmungsfäden, die aber durch den lebendigen Vortrag, vor allem in
den schnelleren Stücken immer wieder aufgebrochen werden. „Down To
The Water“ klingt wie ein längst vergessener
Sommernachts-Folksong, Carping singt mit seiner Duettpartnerin Sigrid
Nilsson vor tänzelnden Streichern und schmeichelnder Percussion und
erschafft Bilder von bittersüßen Sehnsuchtsmomenten. Während er
bei „Dive“ zuvor noch mal mit Dynamik und Tempo spielt und mit
„Sleepless Nights Blues“ ihm sehr gut zu Gesicht stehende fast
schon archaische Bluestugenden heraufbeschwört, lässt er
schließlich das Album in den Titelsong münden, der so sehr
Pub-Singalong ist, das ein Frank Turner vor Neid fast zerspringen
müsste.
„Cocktails & Gasoline“ ist ein
überzeugendes zweites Album geworden, das nach leidenschaftlichem
Musikmachen klingt. Carping erfindet nichts Neues, setzt sich aber
mit seiner herausragenden Stimme deutlich von artverwandten Kollegen
ab. Gerade in den zurückgenommenen Teilen kann man den
Entstehunngsprozess in einer verlassenen Waldhütte nachvollziehen
und blickt mit Spannung aus deren Fenster auf die Welt. Jonas Carping
blickt einem dabei über die Schulter und singt aus vollem Herzen den
entsprechenden Soundtrack.
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