Kein Schiffbruch.
Die Gedanken treiben den Hörer weit hinaus. Schoenholz - Ceylon. Das klingt nach altem Teeclipper, riecht nach warmen Hölzern und hat diesen leicht sepiafarbenen Schimmer, der aus allem eine träumerische Erinnerung macht. Doch schillert die Berliner Band um die Sängerin Daniela Schönwald eher in Nuancen die sich in Pfützen spiegeln, in blassem Blau oder kaltem Schwarz, lässt bittersüße Melancholie walten und klingt weise und vehement zugleich.
Musikalisch bewegt sich das Debüt der vier Musiker, das über Timezone Records am 06.07.2012 in die hiesigen Plattenhäfen einläuft, auf einem hin und her schlingernden Drahtseil, das Spannung und langsames Loslassen gleichermaßen verlangt. Fast immer dunkel, an der Grenze zwischen Wahrhaftigkeit und Halbschatten, gerne dem Mond zugewandt. "Gespenster" die sich wie filigrane Gespinste um Ecken und Kanten winden und einen silbrigen Glanz verleihen, durchdringen die neun Stücke, die sich zuweilen fiebrig, dann aber doch wieder kalt und keusch anschleichen. Die Stimme Schönwalds windet sich in langgezogenen Klangmäandern um sich selbst und wird erst beim folgenden "3011" beherzt freigelassen.
Metaphern, Bilder, Symbole. Schoenholz malen mit dem dicksten Pinsel und kramen in den Stichwortkisten das Unterste zuoberst. "Am Fuße des Berges verbrennt das Tal" singen sie und lassen Menschen ins Licht schauen, das Gesicht des Teufels tanzen und bestärken dieses zu Gitarren- und Schlagzeugwirbeln durch bitterschwerste Lyrik: "Luft und Stein, Fleisch und Geist, der achte Tag ist dunkelweiß".
Vergänglichkeit, Berührung und doch Wagemut. Der wundervolle Titeltrack spiegelt die unglaubliche Emotionalität der vordergründigen Tristesse wieder. Allein wie Schönwald den Begriff "Staub" mit schneidender Stimme in den Nachthimmel katapultiert, lässt Gänsehaut am ganzen Körper aufkommen. Mal frühe, chansoneske Anna R., zuweilen auch Ebba Durstewitz von JaKönigJa, ein wenig Hildegard Knef, dazu ein Quäntchen Josepha Conrad von Susie Asado. Mal betont bestimmter Beinahe-Sprechgesang wie im vertrackt-verjazzten "Vogelfrei", mal fast schon von begnadeter Güte wie bei "Weine Nicht", welches sich zwischendurch verdächtig nah an deutschen Befindlichkeitspop annähert.
Dazu ein nicht immer ganz maßgeschneiderte Tagelage aus Klang und Schall, gerne ein knarziger, einsamer Bass, der gemeinsam mit Tasten und fokussiertem Schlagwerk das experimentreiche "Vogelfrei" einfängt und in einen nach vorne galoppierenden Klippenspringer verwandelt. Zumeist aber schlagen Schoenholz Töne aus einem leidlich farbärmeren Tuschkasten an, "Blasses Blau" darf dazu am eleganten Dinnerjazz schnuppern, im hübschen Kontrast zum durchaus drastistischen Fabuliergrad der Sängerin, "Kaltschwarz" wiederum erinnert an morbiden Pop, an die 80er Jahre, an klirrende Stimmung und ja, doch auch an die Erzählfreude deutscher Meistertexter wie Rio Reiser.
Es ist trotz aller Tragik und Drastik, die Schoenholz verbreiten, kein Schiffbruch, es ist vielmehr ein hoffnungsvoller Stapellauf auf ein Gewässer zu, dessen Untiefen gar nicht risikoreich genug sein können.
Hören? Gerne.
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