Freitag, 25. Juli 2014

Aufgemerkt: Americana&Folk von zwei Kontinenten



Nachdem die letzte komplette Einzelrezension eine halbe Ewigkeit zurückliegt, hatte ich eigentlich den festen Vorsatz, dem nächsten vortrefflich für den Bänkelsänger geeigneten Album wieder solch einen Raum zu geben. Wie es der Zufall allerdings will, erscheinen dieser Tage vier wirklich herausragende Alben, die das Zusammenfassen dergestalt lohnen, dass sie allesamt ähnlicher musikalischer Ausprägung und von erlesener Güte sind. Das soll jetzt aber nicht heißen, dass es auf dem Bänkelsänger gar keine einzelnen Betrachtungen mehr geben soll. Lassen wir uns doch erst einmal überraschen und beginnen mit dem ersten der vier Werke.


Jeff Beadle – The Huntings End

Jeff Beadle kommt aus Kanada und ist ein guter Folksänger. Jetzt habe ich auf dem Bänkelsänger während der vergangenen fünf Jahre den ein oder anderen Musiker ähnlicher Machart präsentiert, doch muss ich sagen, dass mich gerade Jeff Beadle während der ersten Hördurchgänge seines Debütalbums „The Huntings End“, welches am 1. August via Butterfly Collectors erscheint, mehr und mehr gefesselt hat. Stimmlich changiert Beadle irgendwo zwischen dem wunderbaren Rocky Votolato und dem nicht minder talentierten Simone Felice, was vor allem im herausragenden „Cautious Lovers“ zum Ausdruck kommt. Zur hart angeschlagenen Gitarre barmt Beadle sich in einen Sog von Gefühlen, die nicht kalt lassen können und vor inniger Wärme überborden. Es sind die klassischen Versatzstücke, mit denen sich Beadle seiner eigenen Americana-Version nähert, ob mit Mundharmonikabegleitung wie im herzzerreißenden „Heartbreak Hood“ oder in dem er seine Stimme kippen oder umher vagabundieren lässt wie bei „This Ain't Heaven“. Sicher, reinrassiger Americana-Sound atmet noch ein Quäntchen mehr Staub und dennoch lässt der trockene und dennoch umarmende Klang auf „The Huntings End“ wenig Wünsche offen. Selbst eine anschließende Tour gönnt uns der Musiker und kann in folgenden Orten zu folgenden Zeiten besichtigt werden:

AUG 05. : Trier - Wohnzimmer Konzert
AUG 06. : Schwäbisch Hall - Anlagencafe
AUG 07. : Haldern - Haldern Pop Festival
AUG 08. : Dortmund - Subrosa
AUG 10. : Cologne - Lichtung
AUG 11 : Düsseldorf - Brause
AUG 14 : Kiel - Prinz Willy
AUG 15 : Lübeck - Blauer Engel
AUG 16 : Münster - Gartenparty (invitation only)
AUG 20 : Mönchengladbach - Kulturküche
AUG 21 : Kassel - Radarien Club Konzerte
AUG 22 : Jena - Wohnzimmer.Sessions.Jena
AUG 23.: tba 

 


The Gentle Lurch – Workingman's Lurch

Es gibt Labels, die scheinen wie für den Bänkelsänger gemacht zu sein. Nach dem furiosen Hillside von Lestat Vermon erscheint am 25.07. nach langen 5 Jahren bei K&F Records „Workingman's Lurch“ von The Gentle Lurch. 11 sehr eigene, teils karg instrumentierte Americana-Versionen aus Dresden. Allerdings, auch hier gilt es sich dann doch noch mal konkreter über den Begriff „Americana“ Gedanken zu machen. Sind die wahnsinnig schön in ihre Bestandteile zerfasernden Stücke auf „Workingman's Lurch“ nicht viel mehr? Das entschleunigte „The Darkest Grove Of Pines“ etwa, das unheilschwanger mit den Worten beginnt „No One Has Anything To Say, But We Don't Mind, We Keep Silent For The Night“ oder der erzählerischen Titelsong umreißen ein deutlich umfangreicheres Genreangebot auf dem Album, dass laut Eigenaussage der Band um Cornelia Mothes, Frank Heim, Ronnay Wunderwald, Timo Lippold und Lars Hiller ein „ehrliches Rockalbum“ sein soll. Allein die Art und Weise, auf die während der ersten zwei Minuten musiziert wird, die schmeichelnde Klarinette, das Pizzicato-Echo der Streicher, der wechselnde Hintergrundgesang lassen nicht darauf schließen. „Workingman's Lurch“ ist auch nicht die Wundertüte, die gerne dann als metaphorisches Hilfsmittel genutzt wird, wenn ein Album aus zu vielen Töpfen nascht und irgendwann satt wirkt. Vielmehr sind die vielen Einflussgeber Mittel zum Zweck und vervollständigen das dritte Album der Band zu einer möglichen Neuinterpretation volkstümlichen Liedguts, dass trotz aller bewussten Patina modern und vor allem zeitgemäß klingt.

 

Trampled By Turtles – Wild Animals

Nach einer kanadischen Interpretation und einem deutschen Vertreter ist es wichtig auch mal die kontemporären Americana-Versionen des Mutterlands in Augenschein zu nehmen und schnell bleibt man beim aktuellen Oeuvre von Trampled By Turtles namens „Wild Animals“ stehen. Die aus Duluth in Minnesota stammende Band hat seit je her eine vom Bluegrass und Country-Rock infizierte Musikauffassung, wie man auch dem bereits auf dem Bänkelsänger vorgestellten Monsterhit „Codeine“ vom Album „Blue Sky And The Devil“ attestieren muss. „Wild Animals“ lässt die Fingerpickings gemächlicher dahin gleiten, setzt neue Akzente in Richtung Gospel und Roots Rock und, wen wundert's, hat in dem tollen „Repetition“ einen veritablen Hit an Bord. Das neue „Codeine“ ist wiederum das blitzschnelle „Comeback Home“, ein Bluegrass.-Stampfer allererster Güte. Doch auch das eröffnende Titelstück mit seinem choralen Hintergrund und einem eher gemessenen Grundtempo sowie die einnehmende Westernballade „Silver Light“ lassen auch aufgrund der Produktion des auf Slowcore spezialisierten Alan Sparhawk von Low lassen „Wild Animals“ zu einem wirklich guten Album werden. 

 


Old Crow Medicine Show – Remedy

Eine artverwandte Mixtur an Country, Folk, Bluegrass und Americana brauen auch die sieben Mannen von der Old Crow Medicine Show aus Nashville, Tennessee. Ketch Secor heißt der Sänger der Truppe und lässt sich mit begeisternder Musikalität mal von nervöser Steel-Gitarre oder waidwunder Mundharmonika begleiten. Auf „Remedy“ passiert dabei eine ganze Menge. Mal flirren die Saiten verschiedenster Instrumentengruppen wie vom Sturm gepeinigte Windräder durch die Landschaft wie beim berauschenden „8 Dogs 8 Banjos“, mal wird pathosbefreit gelitten wie im wunderschönen „Dearly Departed Friend“. Es ist das Wechselspiel aus ungeheuerlichem Tempo und gelassener Südstaatenatmosphäre, dass aus „Remedy“ ein tolles, wenn nicht sogar das beste der bisherigen fünf Alben der Band macht. Und wer von Old Crow Medicine Show bislang nur die Dylan-Kollaboration „Wagon Wheel“ kannte, darf sich dieses mal auf „Sweet Armadillo“ freuen, denn da mischt der größte Einflussgeber der Band mit.

 

Doch damit nicht genug. Eigentlich hätten gerade aus dem gerade mal wieder vom Bänkelsänger an seine Genregrenzen gebrachten Americana-Segment noch ein Vielfaches angesprochen werden können, denn hier passiert gerade eine ganze Menge. Doch dass soll Bestandteil eines neuen „Aufgemerkt'“ werden. Habt acht!



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