Josienne Clarke & Ben Walker –
Overnight
Nacht, welch tröstenden Umhang du uns
spendest. Hüllst uns ein mit funkelnder Sternpracht besetzt. Mond,
der du das Licht der Welt in fahlen Farben spiegelst und
zurückwirfst. Dunkelheit, die du Schutz und Behaglichkeit, aber auch
Schauer und Unbehagen versprichst. Sinistre Gedanken, die es
einfacher machen, sich mit „Overnight“, dem mittlerweile fünften
Album der Sängerin Josienne Clarke und ihres kongenialen Partners
Ben Walker zu beschäftigen.
Die glasklare Stimme Clarkes ist das
eine, das fingerfertige Gitarrenspiel Walkers das andere. Songs, die
an der Schwelle von Tag und Nacht entlang wandeln, wechseln mit
glitzernden Nachtstücken ab. Britisch gefärbter Folk, dem noch
ausreichend Tradition aus den Poren tropft. Schmeichelnder
angejazzter Pop nahe am Easy Listening. Schauermärchen und
Geschichten aus dem Leben, mal aus eigener Feder, mal von solch
illustren Musikern wie Jackson C. Frank, Gillian Welch oder gar John
Dowland geschrieben. Ein Potpourri, dass ähnlich den Farben des
Albumcovers ineinanderfließt und so die Stimmung von Licht und
Schatten in allen Facetten widerzuspiegeln versucht.
Da ist das federnde „The Waning
Crescent“, dessen nokturner Unterton wie ein Leitmotiv für das
gesamte Album erscheint. Dann das eröffnende und Clarke bis an die
Grenzen des Horizonts tragende „Nine Times Along“, pendelnd im
Vortrag und noch sehr nah an den deutlich traditionsgefärbten
Vorgängerwerken. Clarke und Walker nutzen Instrumente und Stimme
innerhalb der Arrangements wie Pinsel, die auf etwas zu viel Wasser
treffen. Im Innern sind die Farben deutlich, kraftvoll und prächtig,
an ihren Grenzen undurchsichtig und darüber hinaus wohnen nur noch
kleinste Pigmente in Ihnen. So verliert sich Walker schon einmal in
seinen technisch ausgefeilten Gitarrenpickings und lässt Clarke
stimmlich mit der Überkronung der Stücke zurück. Doch dann
wiederum veredeln sie „Milk And Honey“ eines Jackson C. Frank zu
einer ätherischen Jazz-Folk-Pretiose oder hauchen verstiegenen
Folkballaden wie „The Light Of His Lamp“ zwielichtiges Leben ein.
Mit dem streichergetragenen „Sweet
The Sorrow“ und vor allem mit „Weep You No More Sad Fountains“
gelingt Josienne Clarke & Ben Walker schließlich eine
herausragende Transformation historischen Liedguts in zeitgenössische
Folkvariationen. Der archaischen Sprache Dowlands binden beide ein
Bukett aus fein ziselierten Melodien und Stimmungen. Diese Bündelung
an Tönen, Klängen und Stimmungen lässt „Overnight“ sämtliche
Tages- und Nachtzeiten durchleben und wirkt dabei vollkommen zeitlos.
Man lausche dem wunderbaren Ohrenöffner:
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